Einleitung:
Der Medizinsektor trägt weltweit erheblich zum Klimawandel bei. Doch mit einfachen Maßnahmen könnten wesentliche Bereiche in Kliniken und Praxen umweltfreundlicher gestaltet werden. Es erfordert jedoch einen grundlegenden Wandel des Denkens auf allen Ebenen. Im Jahr 2019 bekannte sich die internationale Ärzteschaft in einer Resolution zum Klimanotstand und forderte die Regierungen auf, bis 2030 CO2-Neutralität zu erreichen, um die lebensbedrohlichen Gesundheitsfolgen der Klimakrise zu minimieren. Auf nationaler Ebene hat sich die Bundesregierung mit dem Klimaschutzgesetz das Ziel gesetzt, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Es ist wichtig, dass in Kliniken und Praxen sowohl auf globaler als auch auf lokaler Ebene Maßnahmen ergriffen werden, um einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Maßnahmen zur Nachhaltigkeit in Diagnostik und Therapie:
Experten der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) betonen, dass es möglich ist, auch ohne große finanzielle Investitionen sofortige Maßnahmen für einen aktiven Klimaschutz zu ergreifen. Dabei ist eine kreative und niederschwellige Zusammenarbeit aller Beteiligten von entscheidender Bedeutung. Zu den kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen zählen:
1. Einführung eines Nachhaltigkeitskonzepts: Strukturelle, personelle und fachliche Voraussetzungen schaffen.
2. Einstellung eines/einer Klimamanagers/in, um nachhaltige Maßnahmen zu koordinieren.
3. Erstellung von «Nachhaltigkeits-SOPs» (Standard Operating Procedures).
4. Information und Schulung der Mitarbeiter:innen in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte.
5. Integration des Ziels der Klimaneutralität in die Unternehmensziele.
6. Jährliche Bestimmung des CO2-Fußabdrucks zur Erfolgskontrolle.
7. Optimierung des Gebäudemanagements: Nutzung des energetischen Sparpotenzials durch LED-Leuchten, Bewegungsmelder, nächtliche Reduzierung von Klimaanlagen in Operationssälen, Überarbeitung von Lüftungs- und Heizkonzepten.
8. Reduktion von Einmalartikeln.
9. Konsequentes Recycling-Konzept in allen Bereichen.
10. Austausch klimabelastender Narkosegase gegen umweltfreundlichere Alternativen sowie Nutzung von Scavenging- und Recycling-Systemen für Narkosegase.
11. Verwendung erneuerbarer Energien und Einführung von E-Transportern für Transportdienste.
12. Förderung umweltfreundlicher Mobilität: Jobticket, abschließbare Fahrradgaragen, Ladestationen für E-Bikes und E-Autos.
13. Umsetzung der Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bezug auf eine nachhaltige Ern
ährung.
14. Digitale Transformation: Einführung einer papierlosen Dokumentation (digitale Akte), Nutzung umweltfreundlicher Suchmaschinen.
15. Partizipation und Ideenwettbewerbe zur Nutzung der Schwarmintelligenz, regelmäßige Veröffentlichung von Fortschritten in Richtung Nachhaltigkeit.
Die Rolle der Ärzteschaft:
Jun.-Prof. Martin Weiß von der Universität Tübingen betont, dass eine effiziente Koordination zwischen Ärzten eine wesentliche Rolle beim gelebten Klimaschutz spielt. Durch die Vermeidung unnötiger Tests und den reduzierten Einsatz ressourcenraubender Medikamente kann ein erheblicher Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden. Darüber hinaus können klimabelastende Narkosegase durch umweltfreundlichere Alternativen ersetzt werden. Die Verwendung wiederaufbereiteter Medizinprodukte, die in der ambulanten Versorgung bisher unterrepräsentiert sind, kann ebenfalls einen positiven Effekt haben. Es ist wichtig, dass jede Einrichtung im Gesundheitssektor ihren ökologischen Fußabdruck bestimmen lässt und Maßnahmen zur Reduktion ergreift.
Die Bedeutung eines Krankenhaus-Klimafonds:
Der Vorstand der DGGG unterstützt den Vorschlag eines «Krankenhaus-Klimafonds», der von Bund und Ländern finanziert wird. Dieser Fonds könnte dazu beitragen, eine systematische und flächendeckende klimafreundliche Sanierung der deutschen Krankenhauslandschaft voranzutreiben. Es ist anzuerkennen, dass Krankenhäuser, ob kommunal oder privat, oft nicht ausreichend finanzielle Mittel für umfassende Klimaschutzmaßnahmen haben.
Ausblick:
Der zunehmende Druck aufgrund der Verknappung der Gasversorgung in der Ukraine verstärkt die Notwendigkeit, ressourcenschonender zu handeln und nachhaltige Wege zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks zu finden. Wenn wohlhabende Länder ihre verschwenderischen und kohlenstoffintensiven Praktiken reduzieren, besteht die reale Chance, einer Umweltkatastrophe entgegenzuwirken, die durch den Medizinsektor verursacht wird.
Fazit:
Die Förderung von Nachhaltigkeit in Diagnostik und Therapie bietet eine große Chance, den Klimawandel im Medizinsektor anzugehen. Durch die Umsetzung von einfachen Maßnahmen können Kliniken und Praxen ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren und einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leisten. Es erfordert jedoch den Willen zum Umdenken, eine effiziente Koordination und eine aktive Beteiligung aller Beteiligten. Der Aufbau eines Krankenhaus-Klimafonds auf nationaler Ebene könnte zusätzliche Ressourcen bereitstellen, um einen umfassenden und nachhaltigen Wandel in der deutschen Krankenhauslandschaft zu unterstützen. Es ist an der Zeit, dass der Medizinsektor seine Verantwortung wahrnimmt und zu einer nachhaltigen und klimafreundlichen Gesundheitsversorgung beiträgt.