Arbeitskampf eskaliert: Ab Montag gehen die Bauarbeiter auf die Strasse

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Zürich / Bern, Oktober 2025 – Der Druck im Schweizer Bauhauptgewerbe steigt: Rund 90 % der Bauarbeiter haben sich laut einer landesweiten Befragung dazu bereit erklärt, im Streit um einen neuen Gesamtarbeitsvertrag in den Streik zu treten. Sollte der Baumeisterverband seine umstrittenen Vorschläge nicht zurückziehen, drohen ab Montag erste Protesttage vielerorts.


Hintergrund: Der Landesmantelvertrag und die Streitpunkte

Der Landesmantelvertrag (LMV) im Bauhauptgewerbe, gültig seit 1. Januar 2023, regelt Löhne, Arbeitszeiten, Zuschläge und Rahmenbedingungen für rund 80’000 Bauarbeiter in der Schweiz.

Da dieser Vertrag Ende 2025 ausläuft, verhandeln Gewerkschaften und der Baumeisterverband (SBV) derzeit einen Nachfolgevertrag. Bislang konnten keine Einigung erzielt werden, und die Fronten haben sich verhärtet.

Die Gewerkschaften Unia und Syna kritisieren, dass der neue Entwurf des SBV „massive Verschlechterungen“ vorsieht, unter anderem:

  • Längere Arbeitszeiten – teilweise bis zu 50 Stunden pro Woche
  • Erhöhter Anteil unbezahlter oder schlechter bezahlter Überstunden
  • Streichung des generellen Lohnzuschlags von 25 % für Samstagsarbeit
  • Einführung von Arbeit auf Abruf (unsichere Einsatzplanung)
  • Möglich schnellerer Kündigungen für Bauarbeiter über 55 Jahre
  • Für teilweise frisch ausgebildete Arbeiter sollen Mindestlöhne über mehrere Jahre um bis zu 25 % unter dem bisherigen Niveau gestuft werden können

Für die Gewerkschaften sind diese Forderungen inakzeptabel — sie sehen sie als Angriff auf Arbeitszeitqualität, Lohnstandards und soziale Sicherheiten.


Der Streikentscheid: Zahlen, Daten, Dynamik

  • 20’000 Bauarbeiter beteiligten sich laut Gewerkschaften an einer landesweiten Streikabstimmung.
  • Von diesen stimmten 89,7 % für das Ergreifen von Streikmassnahmen, sollte der Baumeisterverband nicht nachgeben.
  • Gewerkschaften kündigen an, dass erste Protesttage bereits in der kommenden Woche starten könnten — z. B. im Tessin am 20. Oktober, in Bern am 31. Oktober und in der Romandie am 3. und 4. November.
  • Weitere Protesttage sind offenbar für den 7. November (Nordwestschweiz) und 14. November (Deutschschweiz, u. a. Zürich) vorgesehen.

Sollten keine Einigungen bis Jahresende erzielt werden, droht 2026 ein vertragsloser Zustand, in dem viele Schutzbestimmungen wegfallen könnten.


Stellungnahmen der Akteure

Gewerkschaften (Unia / Syna)

Die Gewerkschaften betonen, dass die Bauarbeiter „die Geduld verloren“ hätten, nachdem Verhandlungen stagnieren und der SBV erneute Verschlechterungen vorgelegt habe.

Sie fordern:

  • Erhalt familienfreundlicher Arbeitszeiten
  • Faire Entschädigung für Überstunden und Samstagsarbeit
  • Planungssicherheit statt Arbeit auf Abruf
  • Gleichbehandlung aller Arbeitnehmenden
  • Schutz erfahrener Mitarbeitender, besonders über 55 Jahre

Die Gewerkschaften warnen, dass es ohne Zugeständnisse zu massiven Produktions- und Bauverzögerungen kommen könnte.

Baumeisterverband (SBV)

Der Baumeisterverband betont, dass er konstruktive Verhandlungen wünscht und den Austausch fortsetzen will.

In seiner Außenkommunikation weist der SBV die Vorwürfe von Verschlechterungen zurück:

  • Die Jahresarbeitszeit soll unverändert bei 2112 Stunden bleiben (was durchschnittlich ~ 40,5 Wochenstunden ergibt) — längere Wochenarbeitszeiten sind nach Meinung des SBV nicht vorgesehen.
  • Der Entwurf sehe nicht vor, die generellen Zuschläge für Samstagsarbeit komplett aufzuheben; lediglich gewisse Flexibilisierungen in Sonderfällen seien gedacht (z. B. bei Schlechtwetter)
  • Der SBV spricht von „guten Gesprächen“ und betont, dass manche Streikankündigungen bereits seit Monaten vorbereitet seien und unabhängig vom aktuellen Verhandlungsstand erfolgten.

Dennoch kritisieren Gewerkschaften den SBV dafür, dass mehrere Vorschläge der Arbeitnehmerseite abgelehnt und zusätzliche Verhandlungstermine nicht immer zugestimmt worden seien.


Mögliche Folgen und Risiken

  • Bauverzögerungen und Kostensteigerungen: Bereits angekündigte Protesttage könnten Baustellen lahmlegen und zu Verzögerungen führen, insbesondere bei öffentlichen Projekten oder Infrastrukturmaßnahmen.
  • Gegenseitige Eskalation: Wenn der Baumeisterverband nicht reagiert und die Gewerkschaften den Streik verschärfen, droht ein länger andauernder Konflikt mit wirtschaftlichen Folgen.
  • Vertragslosigkeit: Ohne neuen Vertrag könnten ab 2026 viele Schutzbestimmungen wegfallen — geringere Mindestlöhne, weniger Zuschläge, mehr Unsicherheit.
  • Image und Branche: Reputationsschäden für Bauunternehmen sind möglich — möglicherweise wirkt sich ein harter Arbeitskampf auch auf die öffentliche Wahrnehmung des Baugewerbes aus.
  • Druck auf Politik und Vermittlung: Die Extrempositionen könnten verstärkt politische Intervention oder Schlichtungsversuche hervorrufen, um einen sozialen und wirtschaftlichen Kollaps zu vermeiden.

Ausblick

Ab Montag ist der Streik in Teilen der Schweiz Realität — falls der Baumeisterverband keine deutlichen Entgegenkommen zeigt. Die Verhandlungen stehen unter hohem Druck: Die Bauarbeiter signalisieren ihre Entschlossenheit, während die Arbeitgeberseite deeskalierende Rhetorik bemüht.

Ob eine gütliche Einigung noch möglich ist, hängt entscheidend davon ab, wer zuerst Zugeständnisse macht. Im worst case droht ein konfliktgeladener Winter mit Baustillständen — im besten Fall eine Kompromisslösung, die den sozialen Frieden in der Bauwirtschaft wahrt.

Redaktion
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Redaktion schreibt bei Nachhaltiger24 über erneuerbare energien (wind/wasser) – mit Fokus auf praxisnahe Tipps, fundierte Quellen und Schweizer Rahmenbedingungen.

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