Der aktuelle Fall um Anna Netrebko und ihren Auftritt am Opernhaus Zürich zeigt deutlich: Kultur und Kunst geraten zunehmend in den politischen Strudel. Doch das darf nicht bedeuten, dass Bühnen zur Arena politischer Strafaktionen werden — denn dann verlieren wir etwas Grundsätzliches: die Freiheit der Kunst und des Sports.
Was ist passiert?
Netrebko, eine international bekannte Opernsängerin mit russischer sowie österreichischer Staatsbürgerschaft, wird wegen ihrer früheren Nähe zu Kreml- und Russland-Beziehungen kritisiert. Der SRF-Bericht dokumentiert:
- Sie war 2014 mit einer grossrussischen Flagge fotografiert worden und feierte 2021 ihren Geburtstag im Kremlpalast.
- Nach Beginn des Krieges in der Ukraine distanzierte sie sich, doch Kritiker hielten ihre Aussagen für «zu vage».
- Der Opernhaus-Intendant verteidigte jedoch die Entscheidung: «Sie profitiert heute nicht mehr vom russischen System … sie hat sich also klar für die westlichen Bühnen entschieden.»
- Dennoch formierte sich Protest: Ein offener Brief, Forderungen nach Spendenanteilen für Kriegsopfer und Schweigeminuten rund um den Auftritt.
Warum das gefährlich wird
- Instrumentalisierung von Kultur
Wenn Künstler oder Sportler primär über ihre politische Vergangenheit oder Herkunft bewertet werden, rückt die Kunst selbst in den Hintergrund. Alles wird politisch — nicht mehr: „Wie gut war der Auftritt?“, sondern „Welche Politik steckt dahinter?“ - Erosion der Bühne als freier Raum
Kunst und Sport waren historisch Räume, in denen sich Gesellschaft spiegeln, widerstehen und reflektieren konnte. Wenn solche Räume voreilig geschlossen oder gesperrt werden, verlieren wir die Möglichkeit zur offenen Auseinandersetzung – zur Vielfalt. - Präzedenzfall Zensur
Netrebko steht hier symbolisch: Wird sie wegen ihrer früheren politischen Verbindungen unter Druck gesetzt, sendet das das Signal: Wer nicht „politisch korrekt“ ist, wird von der Bühne verbannt. Eine Entwicklung, die sich schnell auf Sportler oder Schauspieler übertragen lässt.
Warum Freiheit wichtiger ist denn je
- Meinungsfreiheit & Vielfalt: Kunst lebt von Konfrontation, Widerspruch, Provokation — und könnte gerade deshalb unbequem sein. Wenn wir nur das erlauben, was politisch unbedenklich ist, verlieren wir Tiefe und Substanz.
- Gesellschaftliche Reflexion: Auch wenn es ein Krieg betrifft, eine umstrittene Politik oder Herkunft – die Bühne kann helfen, Fragen zu stellen, ohne bereits vorverurteilend zu sein.
- Zugang statt Ausschluss: Es geht nicht darum, problematische Vergangenheit zu ignorieren, sondern sie in den Diskurs zu bringen — nicht durch Ausschluss, sondern durch Engagement.
Was bedeuten daraus konkrete Forderungen
- Veranstalter, Intendanten und Sportverbände sollten ihre Entscheidungen transparent machen: Warum wird wer engagiert oder ausgeladen? Welche Kriterien gelten?
- Kunst- und Sportförderung darf nicht zur politisch motivierten Zensur-Maschine werden. Künstlerische Qualität, nicht nur politische Biografie, muss im Zentrum stehen.
- Wir als Publikum müssen kritisch bleiben – und uns fragen: Wer entscheidet? Und auf welcher Grundlage? Nur so bleibt der Raum offen für echte Vielfalt, nicht für bequeme Einheitslinien.
Fazit
Der Fall Anna Netrebko in Zürich ist kein Randphänomen, sondern Warnsignal: Wenn Kultur und Sport zunehmend zum Spielfeld politischer Kämpfe werden, verlieren wir einen wichtigen Teil unserer demokratischen Kultur. Kunst und Leistung müssen frei bleiben — frei von politischer Vor-Zensur, frei von vorschneller Ausschlusslogik, frei für Auseinandersetzung und Vielfalt.

