Rauchen als Stilmittel: Warum die Zigarette in Social Media zurück ist – und weshalb Experten Alarm schlagen

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Quelle: Openverse (by) · © brainblogger · rauchen

 

 

Jahrelang galt Rauchen als Relikt vergangener Jahrzehnte: ungesund, teuer, sozial verpönt. Die Schweiz verzeichnete sinkende Raucherzahlen, Kampagnen zeigten Schockbilder, und viele glaubten, das Image der Zigarette sei endgültig zerstört.

Doch nun feiert sie ein unerwartetes Comeback – nicht im Alltag, sondern auf Bildschirmen. In Serien, Musikvideos, Modekampagnen und vor allem auf TikTok und Instagram taucht die Zigarette wieder häufig auf. Influencer inszenieren sie als Accessoire zwischen Ästhetik, Rebellion und Nostalgie.

Diese Entwicklung wirft Fragen auf: Warum erscheint Rauchen wieder stylisch? Was bedeutet das für junge Menschen? Und wie positioniert sich die Schweiz?


Ein neuer Trend: Rauchen als visuelle Ästhetik

Medienwissenschaftler sprechen von einer „ästhetischen Re-Inszenierung“ des Rauchens. Entscheidend ist dabei:

1. Das Comeback der 90er- und Y2K-Ästhetik

Der Retro-Trend bringt:

  • Baggy-Jeans
  • Grunge-Look
  • Low-Rise-Mode
  • Polaroid-Filter

und eben: die Zigarette zurück ins Bild.

Sie dient als visuelles Stilmittel, ähnlich wie Tattoos oder Sonnenbrillen.
Vor allem auf TikTok breitet sich eine Ästhetik aus, die Rauchen mit „Künstler-Vibes“, „Melancholie“ oder „Unabhängigkeit“ verbindet.


2. Social Media verstärkt Nachahmungsverhalten

Studien der WHO sowie der Universität Stanford zeigen:

  • Jugendliche reagieren stark auf visuelle Rollenmodelle
  • Gesehenes Verhalten wird leichter übernommen
  • Zigaretten in sozialen Medien erhöhen die Wahrscheinlichkeit des Erstkonsums messbar

Eine internationale Auswertung von 2023 ergab, dass Nutzer, die häufig rauchbezogene Inhalte sehen, bis zu 2,5-mal häufiger mit Nikotin experimentieren.


3. Serien und Filme setzen wieder auf Rauchen als Charakter-Tool

In den 2010er-Jahren wurde Rauchen in Hollywood stark reduziert. Doch nun kehrt es zurück:

  • „Euphoria“
  • „Stranger Things“
  • „The Queen’s Gambit“
  • diverse Netflix-Produktionen

Regisseure begründen dies damit, dass Rauchen Charaktertiefe vermitteln soll – etwa für gebrochene oder rebellische Figuren.


Warum gerade jetzt? Die Psychologie dahinter

Psychologen nennen mehrere Gründe:

1. Postpandemischer Stress

Der Wunsch nach:

  • Freiheit
  • Selbstbestimmung
  • Ablenkung

führt zu einem höheren Interesse an „Selbstberuhigungsritualen“.

2. Rebellion gegen Überregulierung

Viele junge Menschen fühlen sich von ständigen Regeln, Perfektionsdruck und Gesundheitsnormen überwältigt.

Das Rauchen wird zum Symbol gegen Kontrolle – ähnlich wie früher.

3. Ästhetische Distanz zur Realität

In Bildern wirkt Rauchen „cool“.
In der Realität schmeckt es unangenehm, es riecht, und es ist ungesund.
Diese Diskrepanz macht die Online-Version attraktiver als das echte Produkt.


Die Schweizer Perspektive: Zwischen Prävention und Freiheit

Aktuelle Zahlen

Gemäss Bundesamt für Gesundheit (BAG):

  • Rund 24 % der Bevölkerung raucht
  • Tendenz langfristig leicht sinkend
  • E-Zigaretten und Snus legen deutlich zu, besonders bei Jugendlichen

Experten warnen, dass der Online-Hype den Abwärtstrend wieder abschwächen könnte.


Gesellschaftliche Debatte in der Schweiz

Die Schweiz diskutiert seit Jahren:

  • Rauchverbote in Innenräumen (seit 2010)
  • Passivrauchschutz
  • Jugendschutz bei Vapes und Snus
  • Einschränkungen bei Werbung und Sponsoring

Doch gleichzeitig herrscht eine ausgeprägte Freiheitskultur:

  • Viele finden Verbote übertrieben
  • Rauchen gilt als persönliche Entscheidung
  • Gesundheitswarnungen sind akzeptiert – moralische Verurteilung weniger

Das führt zu einer Polarisierung, ähnlich wie in der Diskussion um Ernährung, Alkohol oder SUVs.


Was sagen Expertinnen und Experten?

1. Suchtmediziner warnen:

Der visuelle Trend könne junge Menschen stark beeinflussen.
Nikotinabhängigkeit entsteht oft bereits nach wenigen Wochen.

2. Medienforscher betonen:

Rauchen wird nicht wegen der Zigarette selbst attraktiv, sondern wegen der Bilder, die damit verknüpft sind.

3. Psychologen sagen:

Rauchen ist kein „Trend“, sondern bleibt eine Sucht mit massiven Gesundheitsfolgen.


Wird Rauchen wieder gesellschaftsfähig?

Die Antwort ist komplex:

  • Nein, im Alltag sinkt der Konsum weiter.
  • Ja, im digitalen Raum wirkt es „ästhetisch“ und taucht zunehmend in Popkultur auf.

Diese virtuelle Ästhetik kann reale Folgen haben – vor allem für junge Zielgruppen, die besonders empfänglich für visuelle Trends und Gruppendynamiken sind.


Fazit: Stilmittel mit gefährlicher Signalwirkung

Die Zigarette feiert auf Social Media und Bildschirmen ein Comeback.
Doch die Realität bleibt unverändert: Rauchen ist gesundheitsschädlich, abhängig machend und verursacht Milliardenkosten im Schweizer Gesundheitssystem.

Der Hype ist deshalb weniger ein Revival des Rauchens als ein ästhetischer Trend, der mit Nostalgie, Rebellion und visueller Inszenierung spielt.

Für die Schweiz stellt sich nun die Frage, wie sie mit dieser Entwicklung umgeht:

  • mit mehr Prävention?
  • mit härteren Regeln?
  • oder mit einer Balance aus Freiheit und Verantwortung?

Sicher ist nur:
Der Kampf um die kulturelle Bedeutung des Rauchens ist längst nicht vorbei.

Redaktion
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Redaktion schreibt bei Nachhaltiger24 über erneuerbare energien (wind/wasser) – mit Fokus auf praxisnahe Tipps, fundierte Quellen und Schweizer Rahmenbedingungen.

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