Service-Citoyen-Initiative: Pflichtdienst für alle? Chancen, Kosten & Kritik
Am 30. November 2025 stimmt die Schweiz über die Service-Citoyen-Initiative ab. Sie fordert einen Dienst für alle Schweizerinnen und Schweizer – militärisch, zivil oder gesellschaftlich. Was als Stärkung von Zusammenhalt und Resilienz gedacht ist, wirft Fragen zu Kosten, Gleichstellung und Umsetzung auf.
Was will die Initiative?
Die Initiative „Für eine engagierte Schweiz“ verlangt, dass künftig alle Geschlechter einen Dienst zugunsten der Allgemeinheit leisten. Der Einsatz kann als Militärdienst, im Zivilschutz oder als anerkannter Bürgerdienst (z. B. Umwelt-, Gesundheits- oder Sozialbereich) erfolgen. Ziel ist eine gerechtere Verteilung von Verantwortung und ein Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Position des Bundesrats
Bundesrat Martin Pfister empfiehlt die Ablehnung. Seine Kernaussagen:
- Hohe Mehrkosten (Erwerbsersatz/EO, Sold, Verwaltung, Infrastruktur).
- Überlastung und mögliche Verwässerung der Kernaufgaben von Armee und Zivilschutz.
- Gleichstellung durch Anreize statt Pflicht: Frauenanteil in der Armee von ~1 % auf ~10 % erhöhen.
Argumente der Befürworter
- Gleichstellung: Verantwortung wird auf alle Geschlechter verteilt.
- Kohäsion: Gemeinsame Dienste stärken Solidarität und Kompetenzen.
- Krisenfestigkeit: Mehr verfügbare Helfende für Katastrophen-, Klima- und Sozialaufgaben.
- Wahlfreiheit im Dienst: Militärisch oder zivil – je nach Eignung und Interesse.
Kritik & Gegenargumente
1) Kosten & Opportunitätskosten
Bei Ausweitung auf alle steigt die Zahl der potenziell Dienstpflichtigen deutlich. Die jährlichen EO-Ausgaben könnten von grob ~0,8 Mrd. CHF (Status quo) auf bis ~1,6 Mrd. CHF steigen (nur EO; weitere Ausbildungs-, Infrastruktur- und Verwaltungskosten kämen hinzu). Zusätzlich entstehen Opportunitätskosten, weil junge Arbeitskräfte vorübergehend dem Arbeitsmarkt fehlen.
2) Umsetzung & Kapazität
Ohne klaren Bedarfsnachweis droht Fehlallokation: Nicht jede zusätzliche Person kann sinnvoll eingesetzt werden. Behörden verweisen auf bestehende Alimentierungs- und Rekrutierungsprobleme, die strukturell zu lösen sind.
3) Gleichstellung oder Mehrbelastung?
Gegnerinnen argumentieren, eine Pflicht könne Frauen zusätzlich belasten (Care-Arbeit, Ausbildung). Gleichstellung lasse sich auch über Zugang, Förderung und Anreize erreichen.
4) Freiwilligkeit vs. Zwang
Ein Teil des gesellschaftlichen Engagements lebt von Freiwilligkeit. Eine Pflicht könnte diese Motivation und bestehende Strukturen schwächen.
Internationaler Blick: Nordische Modelle
| Land | Modell | Frauenanteil | Selektionsquote | Dauer (typ.) | Besonderheit |
|---|---|---|---|---|---|
| Norwegen | Geschlechtsneutral, selektiv | ≈ 30–34 % | ≈ 17 % der Kohorte | bis 19 Monate | Hoher Frauenanteil durch Auswahl nach Eignung |
| Schweden | Geschlechtsneutral, selektiv (seit 2017 reaktiviert) | ≈ 20–24 % | ≈ 4–5 % | ≈ 12 Monate | „Total-Defence“: militärisch + zivil gedacht |
| Dänemark | Reform 2025: geschlechtsneutral | ≈ 25 % (bisher v. a. freiwillig) | selektiv/Lotterie | 11 Monate | Aufwuchs der Einzüge bis ~6’500 geplant |
Lehren: geschlechtsneutral, aber selektiv – nicht alle werden eingezogen. Das hält Kosten, Motivation und Qualität im Gleichgewicht.
Zukunft & Alternativen für die Schweiz
- Selektive Ausweitung mit Fokus auf Eignung und Schlüsselkompetenzen (IT, Sanität, Bevölkerungsschutz).
- Attraktivitäts-Offensive für Armee/Zivilschutz: bessere Rahmenbedingungen, Anrechnung an Ausbildung/Beruf, Karrieremodelle.
- Zivil-Module (kurze, modulare Einsätze) nach skandinavischem Vorbild, ohne Vollpflicht.
Fazit
Die Service-Citoyen-Initiative verspricht mehr Gleichstellung, Zusammenhalt und Resilienz – trifft aber auf gewichtige Bedenken bei Kosten, Umsetzung und Freiwilligkeit. Ob die Schweiz bereit ist für einen Dienst für alle, entscheidet sich am 30. November 2025. Unabhängig vom Ergebnis bleibt: Reformen in Rekrutierung, Attraktivität und ziviler Resilienz sind sinnvoll und überfällig.

