In der Schweiz wird derzeit ein innovatives Konzept in mehreren Kantonen getestet: die spielzeugfreien Kindergärten. Für einen Zeitraum von drei Monaten werden klassische Spielsachen aus den Gruppenräumen entfernt, um den Kindern neue Möglichkeiten des Spielens und Lernens zu eröffnen. Statt Lego, Puppen oder Autos stehen Decken, Kartons und Naturmaterialien zur Verfügung. Ziel ist es, die Lebenskompetenzen der Kinder zu stärken und ihre Kreativität zu fördern.
Das Konzept im Detail
Das Konzept der spielzeugfreien Kindergärten zielt darauf ab, den Kindern einen Raum für freies Denken und Forschen zu geben. Die Initiatoren des Projekts, darunter die Suchtprävention Aargau, erhoffen sich, dass die Kinder dadurch in Bereichen wie Kommunikation, Empathie, kritisches Denken und Konfliktlösung gestärkt werden.
Positive Effekte auf die Kinder
Susanne Wasserfallen, eine Expertin von Suchtprävention Aargau, betont, dass die Entfernung von Spielzeugen dazu führt, dass Kinder selbst entscheiden, womit sie sich beschäftigen möchten. „Viele Kinder blühen in dieser Freiheit auf und sprühen vor Ideen“, erklärt sie. Es wird festgestellt, dass Langeweile nicht negativ ist, sondern oft die Quelle der kreativsten Ideen.
Herausforderung für Lehrpersonen
Das Konzept stellt jedoch auch hohe Anforderungen an die Lehrpersonen. Diese müssen die Kinder genau beobachten und erkennen, wann sie eingreifen müssen, dabei aber möglichst im Hintergrund bleiben. Die Gestaltung der täglichen Abschlussrunde, in der die Kinder über ihre Erlebnisse und Gefühle sprechen, ist ein zentraler Bestandteil des Programms. Selbst die Znünipause findet in freier Gestaltung statt, was den Kindern zusätzliche Freiräume bietet.
Bedenken der Eltern
Viele Eltern hegen Bedenken, dass ihre Kinder in der spielzeugfreien Zeit unterfordert oder gelangweilt sein könnten. Wasserfallen rät, das Gespräch zu suchen, da viele Sorgen eher von den Eltern als von den Kindern ausgehen. Es ist wichtig, dass Eltern ihren Kindern etwas zutrauen und darauf vertrauen, dass sie in dieser Zeit gezielt begleitet werden und nicht sich selbst überlassen sind.
Neurodivergente Kinder im Fokus
Besonders jüngere Kinder zeigen positive Entwicklungen durch das spielzeugfreie Konzept. Für neurodivergente Kinder hingegen kann diese Form der Gestaltung herausfordernder sein. Diese Kinder nehmen, denken oder fühlen anders als ihre Altersgenossen. Es lohnt sich, im Vorfeld gut zu planen und gemeinsam mit den Eltern und dem Betreuungsteam zu besprechen, welche spezifischen Unterstützungen diese Kinder benötigen.
Integration ins Bildungssystem
Aktuell ist das Konzept der spielzeugfreien Kindergärten noch kein fester Bestandteil des Lehrplans 21. Dennoch haben mehrere Kantone, darunter Aargau, Zürich, Luzern und Solothurn, das Konzept bereits integriert. Wasserfallen betont, dass der Erfolg des Projekts stark vom Engagement der Lehrpersonen abhängt. Sie müssen Freude und Motivation mitbringen, um das Beste aus dieser Erfahrung für die Kinder herauszuholen.
Rückkehr der Spielsachen
Nach Ablauf von drei Monaten dürfen die klassischen Spielsachen wieder ins Kindergartenleben zurückkehren. Während einige Kinder sich darüber freuen, empfinden andere sie als überflüssig. Das zeigt, dass die spielzeugfreie Zeit einen bleibenden Eindruck hinterlassen kann und das Spielverhalten der Kinder nachhaltig beeinflusst.
Fazit
Die Testphase der spielzeugfreien Kindergärten in der Schweiz zeigt vielversprechende Ansätze zur Entwicklung von Lebenskompetenzen bei Kindern. Das Projekt trägt dazu bei, Kreativität zu fördern und Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern. Es ist jedoch wichtig, dass sowohl die Lehrpersonen als auch die Eltern aktiv in den Prozess eingebunden werden, um die bestmöglichen Ergebnisse für alle Kinder zu erzielen.