Wettermodifikation in der Schweiz: Chancen, Risiken und eine Politik der Transparenz

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Warum wir über den Himmel nachdenken sollten – und was das für Nachhaltigkeit & Klima heisst

Einleitung

Die Diskussion über Wettermodifikation – also gezielte Eingriffe in Wetter- oder Klimaprozesse – ist in der Schweiz längst keine Randerscheinung mehr. Eine aktuelle Analyse des Vereins WIR kritisiert u. a., dass staatliche Stellen wie der Bundesrat oder das zuständige Bundesamt keine ausreichende Transparenz sicherstellten. Die Debatte verbindet Fragen der Souveränität, Umwelt, Energieversorgung und demokratischen Kontrolle.

Was der Vereinsbericht aufwirft

Der Bericht des Vereins WIR stellt insbesondere folgende Punkte heraus:

  • Es fehle eine klare Kommunikation und Offenlegung durch Behörden, wenn es um Eingriffe oder Experimente im Schweizer Luftraum gehe – etwa im Kontext Kondensstreifen, Geoengineering oder Cloud Seeding.
  • Bürgeranfragen blieben unbeantwortet: So werden etwa Fragen nach Freigaben für Flüge über 10’000 Fuß, Monitoring-Mechanismen oder möglichen Substanzeinträgen im Luftraum als offen bezeichnet.
  • Der Bericht verweist auf die US-Umweltbehörde EPA, die öffentlich Daten zu Geoengineering und Kondensstreifen veröffentlicht habe. In der Schweiz dagegen herrsche „Funkstille“.
  • Insgesamt fordert der Verein eine stärkere demokratische Kontrolle und eine bessere Information der Bevölkerung darüber, was im Luftraum und über dem künstlichen Beeinflussungspotenzial geschieht.

Mein erhöhter Blick auf die Fakten- und Forschungslage

a) Faktenlage in der Schweiz

  • Es existieren wissenschaftliche Studien zu „Cloud Seeding“ und anderen Wetterbeeinflussungsansätzen – teilweise im Rahmen von Forschungs- oder Schutzprojekten in der Schweiz.
  • Der rechtliche Rahmen ist nicht ausgefeilt speziell für Wettermodifikation: Zwar verbietet die ENMOD-Konvention Wetter- oder Klimabeeinflussung zu feindseligen Zwecken, doch zivile Eingriffe werden kaum separat geregelt.
  • Behörden bestätigen, dass keine grossflächige staatliche Wettermodifikation ohne Bewilligung betrieben werden darf – aber die konkrete öffentliche Dokumentation bleibt begrenzt.

b) Risiko- und Nutzenabwägung

  • Potenzial: In Bergregionen könnten gezielte Eingriffe wie verstärkter Schneefall oder gezielte Niederschläge sinnvoll sein – etwa zur Wasser- oder Schneesicherung.
  • Risiko: Eingriffe könnten unerwartete Nebeneffekte haben (z. B. veränderte Niederschlagsmuster, ökologische Störungen, internationale Spannungen).
  • Transparenz-Defizit: Wie der Vereinsbericht anmerkt, untergräbt fehlende Offenheit das Vertrauen in Technik und Staat. Wenn Bürger den Eindruck gewinnen, über ihrem Himmel werde ohne Wissen entschieden, schwächt das demokratische Grundlagen.

Warum Wettermodifikation relevant für Nachhaltigkeit, Energie und Klima ist

  • Klimaanpassung: Angesichts zunehmender Extremwetterereignisse ist die Schweiz auf lebendige Strategien angewiesen – nicht nur zur Emissionsreduktion, sondern auch zur Anpassung (Resilienz). Wettermodifikation könnte ein Ergänzungsinstrument sein.
  • Energie & Wasser: In Alpenregionen hat Schnee und Niederschlag unmittelbare Bedeutung für Wasser- und Energieverfügbarkeit. Eingriffe könnten theoretisch helfen, Winterreservoire zu sichern.
  • Nachhaltige Innovation: Wenn Forschung transparent und demokratisch geführt wird, kann Schweiz eine Vorreiterrolle einnehmen – nicht in undifferenzierter Technologiegläubigkeit, sondern in kontrollierter Experimentation.

Handlungsempfehlungen – was jetzt passieren sollte

  1. Offene Register & Monitoring: Behörden sollen ein öffentliches Register führen, in dem Projekte zur Wetter- oder Klimabeeinflussung dokumentiert werden – inklusive Zielsetzung, Technologien, Monitoring-Ergebnissen.
  2. Gesetzliche Klarstellungen: Es braucht nationale Richtlinien, die definieren, wann Eingriffe zulässig sind, wer zustimmt, wie Risiken bewertet werden – analog zur Biotechnologie oder Gentechnik.
  3. Bürgerbeteiligung und Kommunikation: Projekte sollen transparent, partizipativ und inklusive gestaltet werden. Wenn Menschen über ihre Region und Umwelt mitentscheiden, steigt Akzeptanz.
  4. Fokus auf Infrastruktur und Resilienz: Statt allein auf grosstechnische Eingriffe zu setzen, sollten Massnahmen zur Resilienz von Infrastruktur (Netzen, Schneesicherheit, Wassermanagement) priorisiert werden. Technologie darf nicht als Ersatz für systemische Reformen auftreten.
  5. Forschung & internationale Kooperation: Schweiz sollte Forschung zu Wettermodifikation weiterhin fördern – mit klaren ethischen, ökologischen Rahmenbedingungen und internationaler Kooperation.

Fazit

Die Analyse des Vereins WIR macht deutlich: Wettermodifikation ist kein Randthema, sondern ein Element moderner Umwelt- und Klimapolitik. Doch entscheidend bleibt: Transparenz, Kontrolle und demokratische Legitimation.
Technik-Optimismus allein genügt nicht. Wer über den Himmel entscheidet, muss offenlegen was, warum und mit welcher Wirkung geschieht. Nur so wird Wettermodifikation zu einem Teil nachhaltiger Strategie – nicht zur Black Box über unseren Köpfen.

Hier sind vier ausgewählte Schweizer Forschungsprojekte und Initiativen im Bereich Wetter- und Klima­modifikation, inklusive Institut, Fokus und Laufzeit-Angaben.

Nr.Institut / ProjektForschungsfokusLaufzeit / Status
1ETH Zürich, Institut für Atmosphäre und KlimaUntersuchung von Diamantstaub als Aerosol-Material zur Reflexion von Sonnenlicht (solares Geoengineering)2022–2025 (laufend, Labor & Modellierung) ETH Zürich
2Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT)Analyse der Risiken und offenen Fragen bei sogenanntem Solarstrahlungsmanagement („Sonneneinstrahlungs­veränderung“)Ende 2024 – Bericht veröffentlicht scnat.ch
3Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL)Prüfung und Klarstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen von Kondensstreifen, Wolkenimpfung und Flugzeug-Einsätzen im Schweizer LuftraumDatei veröffentlicht 2016, Monitoring laufend bazl.admin.ch
4Virtuelles Alpenobservatorium (VAO)Netzw­erk aus Höhenforschungsstationen zur Beobachtung von Atmosphäre, Hydrosphäre, Kryosphäre – Grundlagen-forschung, auch relevant für Wolken/Niederschlag
Redaktion
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Redaktion schreibt bei Nachhaltiger24 über erneuerbare energien (wind/wasser) – mit Fokus auf praxisnahe Tipps, fundierte Quellen und Schweizer Rahmenbedingungen.

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