Widerstand gegen die Einführung des Bürgerdienstes in der Schweiz

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Ende November 2023 wird in der Schweiz über die Initiative «Service Citoyen» abgestimmt, die die Einführung eines allgemeinen Bürgerdiensts für alle Bürgerinnen und Bürger vorsieht. Diese Initiative schlägt vor, die Wehrpflicht für Männer abzuschaffen und gleichzeitig Männer und Frauen zu einem Dienst zugunsten der Allgemeinheit oder der Umwelt zu verpflichten. In der bisherigen Diskussion hat sich ein breiter Widerstand formiert, der von einer überparteilichen Allianz getragen wird, die sowohl Vertreterinnen und Vertreter der SVP, FDP, Mitte, SP, Grünen als auch Wirtschaftsverbände umfasst.

Gegner der Initiative: Sicherheitsbedenken und wirtschaftliche Auswirkungen

Die Gegner der Initiative haben eine Vielzahl von Argumenten vorgebracht. Ein zentrales Anliegen ist die Sorge um die Sicherheit der Schweiz. Die bürgerliche Seite der Allianz befürchtet, dass die Abschaffung der Wehrpflicht zu einer Schwächung des militärischen Systems führen könnte. Reto Nause, Nationalrat der Mitte, warnt, dass die Initiative das Milizsystem schwäche und damit die nationale Sicherheit gefährde. Er argumentiert, dass weniger Personen zur Verfügung stehen würden, um die Sicherheit des Landes zu gewährleisten.

Diese Bedenken teilen auch andere Mitglieder der Allianz. FDP-Nationalrat Heinz Theiler und SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor haben ähnliche Warnungen ausgesprochen und betonen, dass die Initiative den Personalstreit zwischen Militär- und Zivildienst weiter verschärfen könnte. Laut den Gegnern würde die Einführung des Bürgerdienstes die Armee in ihrer Funktionsfähigkeit und Einsatzbereitschaft gefährden.

Kritik aus sozialer Perspektive

Auf der linken Seite der Allianz wird die Initiative kritisch betrachtet, insbesondere hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die soziale Gerechtigkeit. SP-Nationalrätin Andrea Zryd kritisiert, dass die Verpflichtung zu einem Bürgerdienst unverhältnismässig viele Frauen belasten könnte, da diese bereits einen Grossteil der Care-Arbeit leisten. Sie sieht die Zwangsarbeit als inakzeptabel an und argumentiert, dass echte Gleichstellung nicht darin bestehen kann, Frauen mit zusätzlichen Pflichten zu belasten.

Balthasar Glättli, Nationalrat der Grünen, ergänzt, dass die Initiative die individuelle Freiheit einschränken und Zwangsarbeit fördern würde. Er ist der Meinung, dass Engagement gefördert werden sollte, ohne Menschen dazu zu zwingen, einen Dienst zu leisten. Das Ziel sollte sein, Freiwilligkeit zu stärken und nicht Zwang als Solidarität zu verkaufen.

Wirtschaftliche Bedenken: Fachkräftemangel und hohe Kosten

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Initiative werden ebenfalls als kritisch angesehen. Der Bundesrat schätzt, dass die Kosten für den Erwerbsersatz bei Annahme der Initiative auf rund 1,6 Milliarden Franken pro Jahr steigen würden, während die Ausgaben der Militärversicherung um etwa 320 Millionen Franken pro Jahr zunehmen könnten. Diese Mehrkosten müssten von Arbeitgebern, Arbeitnehmenden und der öffentlichen Hand getragen werden, was von der Allianz gegen die Initiative als alarmierend dargestellt wird.

Severin Moser, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, warnt, dass mit der Einführung des Bürgerdienstes doppelt so viele Personen wie heute Dienst leisten würden und während dieser Zeit am Arbeitsplatz fehlen würden. Dies könnte den Fachkräftemangel verschärfen, Produktivitätsverluste verursachen und Unternehmen zu teuren Ersatzlösungen zwingen.

Argumente der Befürworter der Initiative

Trotz des breiten Widerstands gibt es auch Befürworter der Initiative. Diese Gruppe glaubt, dass das aktuelle Wehrpflichtsystem nicht mehr zeitgemäss ist und es notwendig sei, ein allgemeines Dienstpflichtsystem einzuführen. Sie argumentieren, dass eine solche Regelung die Verantwortung und Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft stärken und die Schweiz krisenfester machen würde.

Die Initianten haben vor kurzem auch rechtliche Schritte eingeleitet, um gegen die Formulierungen im Abstimmungsbüchlein des Bundes vorzugehen, da sie diese als irreführend empfinden. Sie sind überzeugt, dass die Bürgerinnen und Bürger die Initiative unterstützen sollten, um eine gerechtere und solidarischere Gesellschaft zu schaffen.

Fazit: Ein wegweisendes Abstimmungsergebnis steht bevor

Die Abstimmung über die «Service Citoyen»-Initiative am Ende des Monats könnte weitreichende Folgen für die Gesellschaft und das Militärsystem in der Schweiz haben. Der breite Widerstand, der sich gegen die Initiative formiert hat, zeigt, dass sowohl sicherheitspolitische als auch sozialpolitische Bedenken eine wichtige Rolle spielen. Die Diskussion wird durch wirtschaftliche Überlegungen ergänzt, die die Herausforderungen und Risiken für die angespannten Arbeitsmärkte und die nationale Wirtschaft aufzeigen.

Wie die Bürgerinnen und Bürger letztlich entscheiden werden, bleibt abzuwarten. Das bevorstehende Abstimmungsergebnis wird nicht nur den Kurs der Schweizer Militär- und Sozialpolitik beeinflussen, sondern auch die gesellschaftlichen Werte in Bezug auf Solidarität, Verantwortung und Gleichheit in der Schweiz auf den Prüfstand stellen.

Redaktion
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Redaktion schreibt bei Nachhaltiger24 über erneuerbare energien (wind/wasser) – mit Fokus auf praxisnahe Tipps, fundierte Quellen und Schweizer Rahmenbedingungen.

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