Extremwetterereignisse und Versicherungen: Wie sich die Branche in der Schweiz auf die Klimakrise vorbereitet
Der Klimawandel bringt zunehmend extreme Wetterereignisse mit sich, und die Schweiz bleibt davon nicht verschont. Überschwemmungen, Stürme, Hitzewellen und Erdrutsche nehmen an Häufigkeit und Intensität zu und stellen sowohl die Gesellschaft als auch die Wirtschaft vor neue Herausforderungen. Besonders betroffen ist die Versicherungsbranche, die immer stärker auf Risiken durch den Klimawandel reagieren muss. In diesem Bericht beleuchten wir, wie die Versicherungswirtschaft in der Schweiz auf die Zunahme von Extremwetterereignissen reagiert, welche Anpassungen vorgenommen werden und wie sich dies auf die Prämien und die Versicherungslandschaft auswirkt.
Klimawandel und Extremwetter in der Schweiz
Die Schweiz ist ein Binnenland, aber auch hier werden die Folgen des Klimawandels immer deutlicher. Der Schweizerische Nationalrat und Experten wie das Bundesamt für Umwelt (BAFU) warnen seit Jahren vor den Risiken, die steigende Temperaturen und sich verändernde Niederschlagsmuster mit sich bringen. Hitzewellen, wie sie in den letzten Jahren häufiger aufgetreten sind, führen nicht nur zu gesundheitlichen Problemen bei der Bevölkerung, sondern auch zu wirtschaftlichen Einbussen in der Landwirtschaft und der Energieversorgung, da die Wasserkraftwerke aufgrund niedriger Pegelstände weniger Strom produzieren können. Zugleich steigt das Risiko von Überschwemmungen und Erdrutschen durch verstärkte Regenfälle und das Abschmelzen der Gletscher, die die Flüsse mit zusätzlichem Wasser speisen.
Laut dem Schweizer Klimaszenarien-Bericht von MeteoSchweiz könnten sich die Durchschnittstemperaturen in der Schweiz bis Ende des Jahrhunderts um bis zu 4,8 Grad Celsius erhöhen, wenn die globalen Emissionen nicht drastisch gesenkt werden. Bereits heute sind die Folgen spürbar: Der Gletscherrückgang hat sich beschleunigt, und Extremwetterereignisse wie Stürme und Starkregen nehmen zu. Diese Entwicklungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Schweizer Infrastruktur, den Tourismus und die Agrarwirtschaft, aber auch auf den Versicherungssektor.
Versicherungen unter Druck: Höhere Schadenssummen und steigende Prämien
Die Zunahme von extremen Wetterereignissen hat direkte Konsequenzen für die Versicherungswirtschaft. Der Klimawandel bedeutet höhere Schadenssummen und grössere Risiken, die von den Versicherungsunternehmen getragen werden müssen. Während bisher insbesondere Naturkatastrophen wie Lawinen, Erdrutsche und Überschwemmungen versichert werden mussten, kommen nun häufiger Sturmschäden und Hitzeeinwirkungen hinzu.
Eine Studie der Schweizer Rückversicherung Swiss Re zeigt, dass die Schäden durch Naturkatastrophen in den letzten Jahren weltweit kontinuierlich gestiegen sind. Die Swiss Re Sigma-Studie von 2023 bezifferte die wirtschaftlichen Verluste durch Naturkatastrophen allein im Jahr 2022 auf mehr als 270 Milliarden US-Dollar, und die Versicherungsansprüche stiegen ebenfalls auf über 130 Milliarden US-Dollar. Auch die Schweiz war von diesen Entwicklungen betroffen: Die Versicherungen verzeichnen vermehrt Schadensmeldungen aufgrund von Starkregen, Hochwasser und Hagel.
Ein anschauliches Beispiel dafür ist das Hochwasser im Jahr 2021, das weite Teile des Landes betroffen hat. In einigen Regionen wurden rekordverdächtige Niederschlagsmengen gemessen, die zu Überschwemmungen von Flüssen und Seen führten. Die Schweizer Gebäudeversicherungen mussten damals rund 450 Millionen Schweizer Franken an Entschädigungen auszahlen. Solche Ereignisse verdeutlichen, wie stark sich die Versicherungslandschaft verändert.
Anpassungen in der Versicherungswirtschaft
Die Versicherungen in der Schweiz haben begonnen, sich an die veränderten klimatischen Bedingungen anzupassen. Zu den wichtigsten Massnahmen gehört die Neuberechnung von Risiken und die entsprechende Anpassung der Versicherungsprämien. Besonders in Regionen, die wiederholt von Extremwetterereignissen betroffen sind, werden die Prämien für Hausrats- und Gebäudeversicherungen angehoben, um das gestiegene Schadensrisiko zu reflektieren.
Zudem haben Versicherungsunternehmen wie AXA Schweiz, Allianz Suisse und Helvetia begonnen, spezielle Produkte für Naturkatastrophen zu entwickeln, die auf die sich verändernde Risikolandschaft abgestimmt sind. Dabei geht es nicht nur um den Schutz vor direkten Schäden durch Überschwemmungen oder Stürme, sondern auch um die Absicherung gegen indirekte Auswirkungen wie Ernteausfälle in der Landwirtschaft oder Betriebsunterbrechungen in der Industrie aufgrund von extremen Wetterereignissen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die verstärkte Zusammenarbeit mit Rückversicherern. Unternehmen wie Swiss Re und Munich Re spielen eine entscheidende Rolle, da sie den Primärversicherern helfen, die Risiken zu diversifizieren und abzusichern. Rückversicherer übernehmen einen Teil der Risiken, die durch Naturkatastrophen entstehen, und tragen so dazu bei, dass die Versicherungsunternehmen auch bei grossen Schadensereignissen zahlungsfähig bleiben.
Vorbeugung und Risikominimierung
Neben der Anpassung der Versicherungsprodukte und der Prämienhöhe spielt die Prävention eine zentrale Rolle in der Strategie der Versicherungsunternehmen. Viele Versicherungen bieten ihren Kunden mittlerweile Massnahmen zur Risikominimierung an, um Schäden durch Extremwetterereignisse zu verringern. Dies kann beispielsweise durch die Förderung von baulichen Massnahmen geschehen, die Häuser gegen Hochwasser und Sturmschäden schützen.
Ein gutes Beispiel ist der Versicherungskonzern Mobiliar, der im Rahmen seines Präventionsprogramms die Installation von Hochwasserschutzsystemen für Gebäude fördert und subventioniert. Auch werden Beratungen angeboten, wie sich Hausbesitzer gegen Sturmschäden absichern können, etwa durch die Verstärkung von Dachkonstruktionen oder die Verwendung von sturmfesten Materialien.
Zudem kooperieren Versicherungsunternehmen in der Schweiz vermehrt mit wissenschaftlichen Instituten, um besser zu verstehen, welche Regionen und Gebäudearten besonders gefährdet sind. Diese Risikoanalysen helfen dabei, gezielt Präventionsmassnahmen zu entwickeln und die Versicherungsprodukte entsprechend anzupassen.
Die Rolle der Klimadaten
Eine entscheidende Rolle für die Zukunft der Versicherungswirtschaft in der Schweiz spielt der Zugang zu präzisen Klimadaten und Modellen. Die Fähigkeit, extremen Wetterereignissen und deren Häufigkeit genauer vorherzusagen, ist entscheidend, um die Risiken in der Versicherungsbranche richtig zu kalkulieren. Hierzu werden zunehmend künstliche Intelligenz und Big Data eingesetzt, um Klimadaten zu analysieren und Prognosen zu erstellen.
Das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie, MeteoSchweiz, stellt umfangreiche Daten zur Verfügung, die von Versicherungen genutzt werden, um Risikoabschätzungen durchzuführen. Diese Informationen ermöglichen es den Versicherungsunternehmen, zukünftige Wetterereignisse besser einzuschätzen und ihre Policen entsprechend anzupassen. Auch Rückversicherer wie Swiss Re haben eigene Forschungsabteilungen, die sich intensiv mit der Analyse von Klimadaten und der Entwicklung von Risikomodellen befassen.
Mehr Informationen zur Rolle von Klimadaten in der Risikobewertung findest du hier.
Klimafreundliche Investitionen der Versicherer
Neben der Anpassung an die Risiken durch den Klimawandel engagieren sich viele Versicherungen in der Schweiz aktiv im Klimaschutz, indem sie ihre Anlagestrategien umstellen. Der Schweizer Versicherungsverband (SVV) hat sich zu nachhaltigen Investitionen verpflichtet. Viele Versicherungen lenken ihre Kapitalanlagen zunehmend in grüne Projekte und erneuerbare Energien, um einen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels zu leisten.
So investiert die Swiss Life Gruppe beispielsweise verstärkt in nachhaltige Immobilienprojekte und erneuerbare Energien, während die Zurich Versicherung sich das Ziel gesetzt hat, ihr gesamtes Anlageportfolio klimaneutral zu gestalten. Diese Unternehmen verstehen, dass der Klimawandel nicht nur Risiken birgt, sondern auch Chancen für nachhaltige Investitionen bietet.
Die Zukunft der Versicherungsbranche in einer sich wandelnden Klimawelt
Die Auswirkungen des Klimawandels sind nicht mehr nur eine entfernte Zukunftsprognose, sondern schon heute Realität. Versicherungen in der Schweiz müssen sich immer stärker auf extreme Wetterereignisse einstellen und ihre Geschäftsmodelle entsprechend anpassen. Dabei spielt sowohl die Anpassung der Prämien als auch die Förderung von Präventionsmassnahmen eine zentrale Rolle.
Zugleich sehen sich die Versicherer mit steigenden Anforderungen ihrer Kunden konfrontiert. Die Bevölkerung erwartet zunehmend, dass Versicherungsunternehmen nicht nur Risiken absichern, sondern auch einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dies zeigt sich in der steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Versicherungsprodukten und Investitionsstrategien, die umweltfreundliche Projekte fördern.
Mehr Informationen zu Versicherungen und Klimawandel findest du hier.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Schweizer Versicherungsbranche auf einem guten Weg ist, sich den Herausforderungen des Klimawandels zu stellen. Durch innovative Produkte, verstärkte Prävention und nachhaltige Investitionen wird die Branche nicht nur resistenter gegenüber extremen Wetterereignissen, sondern kann auch einen positiven Beitrag zur
Bekämpfung des Klimawandels leisten. Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, um die langfristige Anpassungsfähigkeit der Versicherungswirtschaft an die neuen klimatischen Realitäten zu sichern.