Die Diskussion um die Anerkennung Palästinas durch die Schweiz hat in den letzten Tagen an Intensität gewonnen. Ein internes Gutachten des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat ergeben, dass eine rechtliche Anerkennung Palästinas möglich wäre. Doch der Bundesrat bleibt bei der politischen Umsetzung zurückhaltend und fordert eine umfassende Friedensregelung, bevor er einen solchen Schritt wagt.
Rechtliche Grundlagen für die Anerkennung
Das vertrauliche Gutachten, welches dem «SonntagsBlick» zugänglich gemacht wurde, untersucht die Kriterien für die Anerkennung eines Staates. Die Fachleute der Direktion für Völkerrecht kommen zu dem Schluss, dass die wesentlichen Kriterien eines Staates – Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt – in Bezug auf Palästina erfüllt sind. Insbesondere wurde festgestellt, dass die Staatsgebiete und das Staatsvolk eindeutig gegeben sind, und dass die Besetzung oder Teilung von Territorien einer Anerkennung nicht entgegensteht.
Die Herausforderung der Staatsgewalt
Ein zentrales Hindernis ist jedoch die Frage der Staatsgewalt. Die Palästinensische Autonomiebehörde übt diese nur eingeschränkt aus, während Sicherheit, Grenzen und Luftraum weitgehend in den Händen Israels liegen. Im Gazastreifen wird die Situation zusätzlich durch die Kontrolle der Hamas kompliziert. Trotz dieser Gegebenheiten kommen die Experten zu dem Schluss, dass dies kein Hinderungsgrund für eine bilaterale Anerkennung sein sollte, da Palästinas Staatlichkeit international bereits weitgehend anerkannt wird.
Politische Blockade des Bundesrats
Obwohl rechtlich der Weg für eine Anerkennung offen steht, sieht sich der Bundesrat mit politischen Hürden konfrontiert. Seit Jahren bekennt sich die Schweiz zur Zweistaatenlösung, fordert jedoch als Voraussetzung für eine Anerkennung eine umfassende Friedensregelung. Angesichts der aktuellen Situation im Nahen Osten, insbesondere nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas ab dem 7. Oktober 2023, erscheint eine solche Friedenslösung in weiter Ferne.
Internationale Entwicklungen und der Druck auf die Schweiz
In den letzten Wochen haben mehrere Länder, darunter Frankreich, Grossbritannien und Kanada, Palästina offiziell anerkannt, während über 150 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen dies bereits getan haben. Im Gegensatz dazu bleibt die Schweiz zurückhaltend, was in der internationalen Gemeinschaft Aufmerksamkeit erregt.
Beziehungen zu den USA als Einflussfaktor
Eine weitere Dimension der Zurückhaltung könnte in den Beziehungen zu den USA liegen. Die Schweiz führt derzeit Verhandlungen über einen Zolldeal mit Washington, und US-Präsident Donald Trump hat in der Vergangenheit angedeutet, dass eine Anerkennung Palästinas die Handelsgespräche belasten könnte. Kanada hat dies bereits am eigenen Leib erfahren, als Trump Ottawa nach dessen Anerkennung Palästinas öffentlich kritisierte.
Dringende humanitäre Anliegen
In der Schweiz selbst wächst der Druck auf den Bundesrat, ein stärkeres Engagement in der Frage der Palästinenser zu zeigen. Menschenrechtsorganisationen fordern eine klare Positionierung und Massnahmen. Berichten zufolge prüft die Schweizer Regierung zudem, verletzte Kinder aus dem Gazastreifen aufzunehmen, was weitere Schritte in Richtung humanitärer Hilfe darstellen könnte. Es sind rund 20 junge Patienten und ihre Angehörigen vorgesehen, die demnächst in die Schweiz reisen könnten.
Fazit: Ein Zweiseitiges Dilemma
Die Situation rund um die Anerkennung Palästinas durch die Schweiz zeigt ein komplexes Zusammenspiel von rechtlichen Möglichkeiten und politischen Hürden. Während das EDA in seinem Gutachten rechtliche Grundlagen für eine Anerkennung liefert, bleibt die politische Umsetzung aufgrund der Forderungen nach einer Friedensregelung und der empfindlichen internationalen Beziehungen, insbesondere zu den USA, blockiert. Die Herausforderung für die Schweiz wird darin bestehen, einen Weg zu finden, um sowohl ihren rechtlichen Verpflichtungen als auch den politischen Realitäten gerecht zu werden, während gleichzeitig auf die dringenden humanitären Bedürfnisse der Palästinenser eingegangen wird.