Das Römische Reich, das sich über drei Kontinente erstreckte, war bekannt für sein beeindruckendes Strassennetz. Neueste Forschungen zeigen nun, dass dieses Netz wesentlich grösser war als bisher angenommen. Ein internationales Forschungsteam hat eine detaillierte Karte erstellt, die das gesamte Strassennetz des Imperiums umfassend dokumentiert und erhebliche neue Erkenntnisse über seinen Verlauf liefert.
Neue Dimensionen des römischen Strassennetzes
Gemäss einer Studie im Fachmagazin «Scientific Data» ist das Strassennetz des Römischen Reichs rund 100.000 Kilometer länger, als bislang vermutet. Auf dem Höhepunkt seiner Macht vor etwa 2.000 Jahren erstreckte sich das Imperium über ein Gebiet von etwa 4 Millionen Quadratkilometern und umfasste mehr als 55 Millionen Einwohner. Diese Erkenntnisse sind das Ergebnis jahrelanger Forschungsarbeit und der Analyse von Daten aus rund 40 Ländern.
Die hochauflösende Karte
Die neue, hochauflösende Karte ist online erhältlich und stellt den grössten offenen digitalen Datensatz zu Strassen im gesamten Römischen Reich dar. Das Team um Studienautor Tom Brughmans von der Universität Aarhus erklärte, dass die Karte insgesamt 299.171,31 Kilometer Strassen dokumentiert. Dabei wurden sowohl Hauptstrassen, bekannt als «viae publicae», als auch Nebenstrassen berücksichtigt.
Strassen als Fundament römischer Macht
Die Strassen hatten im römischen Reich eine zentrale Bedeutung. Sie verbanden Provinzen vom Atlantik bis zum Euphrat und ermöglichten nicht nur schnelle Truppenbewegungen, sondern auch den Austausch von Gütern und Ideen. Berühmte Strassen wie die Via Appia in Rom oder die Via Egnatia in Griechenland sind bis heute sichtbar und bilden teilweise die Grundlage für moderne Verkehrsachsen.
Die Zusammensetzung des Strassennetzes
Etwa 34 Prozent des neu dokumentierten Strassennetzes sind Hauptstrassen, während die Nebenstrassen fast zwei Drittel des Gesamtumfangs ausmachen. Diese umfassende Erfassung ist bemerkenswert, insbesondere angesichts der Tatsache, dass das vorherige Wissen über das römische Strassennetz eher fragmentarisch war.
Anpassung an geografische Gegebenheiten
Ein wesentlicher Grund für die erhöhte Kilometerzahl im Vergleich zu früheren Untersuchungen liegt in der Anpassung der Routen an die geografische Realität. Bei der Erschliessung von Gebieten, wie etwa beim Überqueren von Bergen, folgen die Strassen nun oft kurvenreichen Passstrassen, anstatt einer direkten Linie.
Die Herausforderungen bei der Rekonstruktion
Die Rekonstruktion der genauen Verlaufsform von Strassen aus der Zeit vor 2.000 Jahren ist eine erhebliche Herausforderung. Um dies zu bewältigen, sichtete das Forschungsteam eine Vielzahl von historischen und archäologischen Quellen sowie moderne Luft- und Satellitenbilder. Diese Hilfsmittel ermöglichten es den Forschern, den Verlauf der Strassen zu erfassen und gleichzeitig die jeweiligen Landschaftsformen zu berücksichtigen.
Die Unsicherheiten in der Forschung
Trotz intensiver Forschung bleibt der genaue Verlauf von vielen der erfassten Strassen unklar. Bei etwa 90 Prozent der Strecken ist der Verlauf nicht genau bekannt, und in rund 7 Prozent der Fälle handelt es sich nur um Vermutungen. Sicherheitsbasierte Aussagen können die Forscher nur bei etwa 3 Prozent der Strassen treffen.
Die Bedeutung der Strassennetzanalyse
Das Forschungsteam weist darauf hin, dass das Fehlen chronologischer Belege für die Entstehung und Veränderung von Strassen eine grosse Hürde darstellt. Die Verkehrsnetze wachsen organisch, ändern sich im Funktion und manche Strassen fallen sogar in Vergessenheit. Daher fehlen detaillierte zeitliche Belege für die Nutzung und den Wandel der meisten Strassen.
Potenziale für zukünftige Forschungen
Die Forscher sehen ein grosses Potenzial für weitere Studien, da die Analyse der Strassennetze eine Vielzahl von Informationen liefern kann, etwa zur Verbreitung von Krankheiten entlang von Handelsrouten oder zur Untersuchung wirtschaftlicher Netzwerke. Auch die moderne Verkehrsplanung könnte von den Erkenntnissen profitieren, da Vergleiche zwischen antiken Passstrassen und heutigen Verkehrswegen oft überraschende Übereinstimmungen aufzeigen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die neuen Erkenntnisse über das römische Strassennetz einen bedeutenden Beitrag zur Verständnis der Infrastruktur und der Organisation des Römischen Reichs leisten. Durch die detaillierte Analyse und die Erstellung einer umfassenden Karte wird nicht nur das historische Wissen erweitert, sondern auch die Möglichkeit eröffnet, weitere Forschungen zu betreiben und Anknüpfungspunkte für moderne Anwendungen zu finden. Die Herausforderungen in der Rekonstruktion des genauen Verlaufs der Strassen bleiben zwar bestehen, aber der neue Datensatz bietet eine solide Grundlage für zukünftige Forschungen und Erkenntnisse über diese faszinierende Epoche der Geschichte.

