Ein Arzt, der wegen sexueller Nötigung verurteilt wurde, setzte seine Tätigkeit über mehrere Jahre hinweg fort. Dies geschah trotz eines Schuldspruchs, der ihn als Sexualstraftäter deklarierte. Sein Fall wirft Fragen über die Überwachung von Ärzten und den Schutz von Patientinnen auf.
Hintergrund der Vorwürfe
Die Vorwürfe gegen den Arzt kamen von mehreren Frauen, die unabhängig voneinander Strafanzeige erstatteten. Eine Patientin berichtete, dass sie bei einem Besuch wegen Angina und Rückenschmerzen eine Rückenmassage erhielt, die abrupt in sexuelle Übergriffe umschlug. Sie fühlte sich in der Situation eingeschüchtert und war zunächst schockiert über die Übergriffe. Statt eine Anzeige zu erstatten, entschloss sie sich, die Erfahrung für sich zu behalten, da sie ihre Aussage gegen die eines Arztes für weniger wertvoll hielt.
Die weiteren Fälle
Die Schilderungen der anderen Frauen waren ähnlich. Eine 83-jährige Patientin schilderte, dass der Arzt während einer Behandlung an ihren Oberschenkeln und Brustbereich sexuelle Handlungen vornahm und sie nötigte, sich auszuziehen. Der Arzt hätte dabei mit der Bemerkung: «Entschuldigung, ich bin ein feuriger Italiener» versucht, sein Verhalten zu rechtfertigen.
Zusätzlich gab es den Fall einer anderen Frau, die wegen geschwollener Beine zu ihm kam. Die Behandlung eskalierte, als der Arzt auch hier zu sexuellen Handlungen überging. Auch in diesem Fall wurde später die Anzeige zurückgezogen.
Ein weiterer Vorwurf kam von einer 42-jährigen Frau, die angab, der Arzt habe ihre psychische Notlage ausgenutzt und durch manipulative Mittel zu einvernehmlichem Sex verleitet.
Der rechtliche Verlauf
Im Jahr 2020 wurde der Arzt vom Zürcher Obergericht wegen sexueller Nötigung und Schändung verurteilt. Doch trotz des Schuldspruchs konnte er seine Praxis in drei Kantonen weiter betreiben. Der Entzug seiner Berufszulassung stellte sich als langwieriger Prozess heraus, der sich über mehrere Jahre hinzog.
Obwohl die Bestimmungen zur ärztlichen Berufsausübung im Jahr 2017 schärfer gefasst wurden, konnte er weiterhin in Zürich, Aargau und Schwyz praktizieren, wobei er während dieser Zeit strengen Auflagen unterworfen war. Dazu gehörte, dass er keine Patientinnen mehr massieren durfte und nur in Anwesenheit einer Praxisassistentin oder Pflegefachperson arbeiten durfte.
Langsame Entziehung der Berufserlaubnis
Die Entziehung seiner Genehmigung vollzog sich in mehreren Schritten. In Zürich verlor er seine Zulassung im Jahr 2023, ein Jahr nach einem entsprechenden Urteil des Bundesgerichts. Im Aargau dauerte es bis in das aktuelle Jahr, ehe die Entziehung rechtskräftig wurde, da der Arzt auch hier gegen die Entscheidung vorgegangen war. Die Entscheidung für den Kanton Schwyz fiel kürzlich, als das Bundesgericht mit drei Stimmen gegen zwei entschied, die Genehmigung zu entziehen.
Ärztliche Berufsethik und Patientenschutz
Der Fall hat auch Diskussionen über die medizinische Ethik und den Schutz von Patientinnen und Patienten angestossen. Die Umstände, unter denen der Arzt seine Praxis weiterführen durfte, werfen Fragen über die Wirksamkeit des Überwachungssystems für ärztliche Zulassungen auf. Trotz des ergangenen Urteils konnte der Arzt über Jahre hinweg weiterhin Menschen behandeln, was auf gravierende Lücken im System hinweist.
Der persönliche Standpunkt des Arztes
Der verurteilte Arzt selbst bezeichnet die Entscheidungen als ungerecht und äussert, dass er vor seiner bevorstehenden Pensionierung keine Möglichkeit mehr habe, sich neu zu orientieren. Diese persönlichen Umstände könnten in der öffentlichen Debatte als weniger relevant angesehen werden, wenn man die Schwere der Vorwürfe betrachtet, die gegen ihn erhoben wurden.
Fazit
Der Fall des verurteilten Arztes ist ein eindringliches Beispiel für die Herausforderungen im Umgang mit sexuellen Übergriffen im medizinischen Umfeld. Die Tatsache, dass ein verurteilter Täter über Jahre hinweg seiner Berufung nachgehen konnte, wirft grundsätzliche Fragen über den Schutz von Patientinnen auf. Es ist unerlässlich, dass entsprechende Massnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass derartige Straftäter keine Möglichkeit erhalten, ihre Taten zu wiederholen. Die Debatte über die Überwachung von Ärzten und den Schutz von Patientinnen und Patienten hat durch diesen Fall neue Dringlichkeit erhalten.

