Kiruna: Umsiedlung führt zu unerwartetem Kälterekord

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Quelle: Openverse (by) · © Allie_Caulfield · Schweden

Kiruna: Wenn Stadtplanung das Winter-Mikroklima übersieht

Kurzüberblick (Faktenkasten)

Punkt Wert/Angabe
Grund für den Umzug Bodeninstabilität durch Eisenerzabbau (LKAB)
Verlegung Neues Zentrum ~3 km östlich (Kiruna-Zentrum); Kiruna-Kirche 2025 um ~5 km verlegt
Höhenlage neu vs. alt Neues Zentrum im Schnitt ~100 m tiefer (Talmulde)
Mikroklima-Effekt Winterlich im Schnitt bis zu 10 °C kälter
Hauptursachen Kaltluftsenke, geringere Sonnenexposition, Windkanäle durch Straßen-/Blockstruktur

(Quellen im Text verlinkt.)


Die Entstehung von Kiruna

Kiruna entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Bergbaustadt rund um Europas größte Untertage-Eisenerzmine (LKAB). Als sich der Abbau unter die Altstadt ausdehnte und Setzungen drohten, fiel die Entscheidung, Stadtteile etappenweise zu verlegen.

Der Umzug – Entfernungen & Etappen

Das neue Stadtzentrum liegt grob 3 km östlich des alten – so ist es seit Jahren in Planungs- und Medienberichten dokumentiert. Ein besonders sichtbares Symbol: Die historische Kiruna-Kirche wurde im August 2025 in einem spektakulären Manöver rund 5 km an den neuen Standort überführt.

Warum es jetzt spürbar kälter ist

Eine neue Studie der Universität Göteborg zeigt: Im neuen Stadtzentrum kann es im Winter im Schnitt bis zu 10 °C kälter sein als am alten Standort. Hauptgrund ist die Lage in einer Talmulde, in der sich Kaltluft sammelt; hinzu kommt, dass Gebäudehöhen und Straßenführung bei tief stehender Wintersonne Sonnenlicht blockieren und Windkanäle begünstigen.

Die Rolle der Höhenlage

Planungsunterlagen und Fachbeiträge führen aus, dass der neue Standort im Schnitt etwa 100 m tiefer als das frühere Stadtzentrum liegt – ein klarer Hinweis auf eine Kaltluftsenke mit häufigen Inversionslagen. Topografische Übersichten stützen die höhere, sonnigere Hanglage der Altstadt.

Planungsfehler – was übersehen wurde

Die Pionierplanung der alten Stadt („Thinking Winter“) nutzte Hanglage, Windschutz und Sonnenexposition bewusst. Beim neuen Zentrum priorisierte man Anbindung und Infrastruktur – mikroklimatische Optimierung blieb nachrangig. Die Forscherin Jennie Sjöholm bilanziert sinngemäß: Entscheider optimierten das Stadtdesign nicht für das Klima vor Ort – mit spürbaren Komforteinbußen.

Auswirkungen im Alltag

Bewohner berichten von schattigen, windigen Straßenzügen, teils ganztägig ohne Sonne im Winter. Diese Erfahrungswerte korrespondieren mit den Messergebnissen (kälter, windiger, dunkler).


Lösungsansätze – was jetzt hilft

Kurzfristig (Bestand):

  • Windbrechende Elemente: versetzte Hecken-/Baumreihen, Pergolen, Street-Furniture, dichte Strauchschichten an Ecken/Plätzen.

  • Mikro-Sonnenspots: gezielt freigestellte Pocket-Plazas, reflektierende Fassadenmaterialien, helle Beläge zur Erhöhung kurzwelliger Rückstrahlung.

  • Schnee-/Eis-Management: Schneewälle als temporäre Windbarrieren statt vollständiger Abfuhr.

Mittelfristig (Bauabschnitte):

  • Straßenknicke & Block-Porosität erhöhen, um lineare Windkanäle zu brechen (abwechselnde Blocktiefen, Staffelungen).

  • Gebäudehöhen staffeln (Süd tiefer, Nord höher) für besseren Sonnenzugang im Winter.

  • Durchlüftung nur dort, wo Sommerkomfort nötig ist – im Winter bewusst bremsen.
    Diese Maßnahmen entsprechen gängigen „Winter-City“-Leitlinien und den Empfehlungen der aktuellen Forschung zu Kiruna.


Kiruna bleibt ein Winter-Magnet

Trotz der Kritik bleibt Kiruna touristisch attraktiv (Polarlichter, Winteraktivitäten) und städtebaulich einzigartig – nicht zuletzt dank der behutsamen Translozierung von Kulturbauten wie der Kiruna-Kirche. Der 2025er Umzug macht die Transformation greifbar.


Fazit

Kiruna ist heute ein Lehrbeispiel dafür, wie stark Topografie, Sonnenstand und Wind das urbane Mikroklima in arktischen Breiten prägen – und wie kostspielig es wird, wenn diese Faktoren in der Planung zu wenig gewichtet werden. Die gute Nachricht: Ein Set aus landschafts- und baugestalterischen Maßnahmen kann die Fehlsteuerungen deutlich abmildern – wenn es konsequent in den nächsten Bauphasen umgesetzt wird.


Quellen (Auswahl)

Redaktion
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Redaktion schreibt bei Nachhaltiger24 über erneuerbare energien (wind/wasser) – mit Fokus auf praxisnahe Tipps, fundierte Quellen und Schweizer Rahmenbedingungen.

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