Der Transportsektor steht vor einer entscheidenden Wende mit der Einführung von Hochleistungsladepunkten für elektrische Lastkraftwagen (Lkw). Lange Ladezeiten galten bislang als eines der grössten Hindernisse für die Akzeptanz von Elektromobilität im Schwerlastverkehr. Die neuen Megawatt-Ladestationen könnten jedoch einen entscheidenden Beitrag zur Umstellung auf nachhaltige Transportlösungen leisten. Dieser Artikel beleuchtet die neuesten Entwicklungen in Deutschland und Italien, die den Fortschritt auf diesem Gebiet symbolisieren.
Erster Megawatt-Ladepunkt in Deutschland eröffnet
Am 29. September 2025 wurde an der Raststätte Lipperland Süd an der Autobahn A2 der erste deutsche Megawatt-Ladepunkt (MCS) für batterieelektrische Lkw feierlich eingeweiht. Dieses Projekt ist Teil des geförderten HoLa-Projekts, das sich mit Hochleistungsladen im Lkw-Fernverkehr beschäftigt. Die Einführung dieses Ladepunkts markiert einen bedeutenden Fortschritt in der Entwicklung der Ladeinfrastruktur für elektrische Lkw.
Nach Angaben von Prof. Patrick Plötz, dem Gesamtkoordinator des Projekts vom Fraunhofer ISI, ermöglicht das Megawattladen eine revolutionäre Reduktion der Ladezeiten. «Zum ersten Mal können schwere Lkw in nur 30 bis 45 Minuten für hunderte Kilometer Reichweite geladen werden. Das ist die Voraussetzung für eine wirtschaftlich tragfähige Elektrifizierung des Lkw-Fernverkehrs», erklärt Plötz.
Technologische Hintergründe des MCS-Standards
Der neue MCS-Standard, der Ladeleistungen von bis zu 1,2 MW ermöglicht, ist ein entscheidender Faktor für die Effizienz des Ladevorgangs. Die Station in Deutschland wird von vier europäischen Lkw-Herstellern unterstützt, die aktiv an der Entwicklung und Erprobung dieser Technologie beteiligt sind. Diese Zusammenarbeit unterstreicht die Notwendigkeit, dass verschiedene Akteure aus Industrie und Forschung an einem Strang ziehen, um eine erfolgreiche Umsetzung der Elektromobilität im Schwerlastverkehr zu gewährleisten.
Das HoLa-Projekt: Partner und Ziele
Das HoLa-Projekt wird wissenschaftlich vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI koordiniert. Die operative Leitung obliegt der P3 Automotive GmbH. Ziel des Projekts ist es, die Hochleistungsladeinfrastruktur für batterieelektrische Lkw unter realen Bedingungen zu erproben und die Ladezeiten signifikant zu verkürzen. Dies soll die Grundlage für einen flächendeckenden Ausbau der Infrastruktur entlang zentraler Autobahnen in Deutschland schaffen.
Insgesamt sind 13 Partner an dem Projekt beteiligt, darunter Unternehmen aus den Bereichen Fahrzeugbau, Energieversorgung, Netzbetrieb sowie Forschungseinrichtungen. Zu den prominenten Partnern zählen ABB E-mobility, EnBW mobility+ und die Lkw-Hersteller Daimler Truck, MAN, Scania und Volvo. Die wissenschaftliche Begleitung umfasst auch renommierte Institutionen wie die TU Berlin, TU Dortmund, Universität Stuttgart und die Bauhaus-Universität Weimar.
Italien: Vorreiter mit Megawatt-Ladestation in Bozen
Nicht nur Deutschland, sondern auch Italien setzt Massstäbe im Bereich der Megawatt-Ladetechnologie. Im Mai 2025 wurde in Bozen Süd die erste 1-MW-Ladestation für E-Lkw eröffnet. Diese Station, die von der Brennerautobahn AG und dem Südtiroler Unternehmen Alpitronic betrieben wird, befindet sich am Parkplatz Firmian an der Autobahn A22.
Die Bozener Ladestation ist mit einem klassischen CCS2-Stecker ausgestattet, der eine maximale Ladeleistung von bis zu 600 kW ermöglicht. Zusätzlich ist ein experimenteller Stecker, das Megawatt Charging System (MCS), installiert, der eine Leistung von 1.000 kW bietet. Laut dem Landeshauptmann von Südtirol, Arno Kompatscher, handelt es sich hierbei um einen „sehr wichtigen Schritt nach vorne“ für die Verkehrswende im Schwerlastbereich.
Ziele und Vorteile der italienischen Ladestation
Die Ladestation in Bozen ist Teil eines „Digitalen Grünen Korridors“, der Nord- und Südeuropa entlang der A22 miteinander verbindet. Alpitronic hat sich zum Ziel gesetzt, die straffen Zeitvorgaben im Schwerlastverkehr zu erfüllen. Ein E-Lkw lässt sich während der gesetzlichen 45-minütigen Pause, die nach viereinhalb Stunden Fahrt vorgeschrieben ist, vollständig aufladen. Bei einer Ladeleistung von 1.000 kW kann ein Lkw mit einer 600-kWh-Batterie in nur 30 Minuten aufgeladen werden, was eine potenzielle Reichweite von 500 km ermöglicht.
Fazit: Ein neuer Weg für den Schwerlastverkehr
Die Einführung von Megawatt-Ladestationen in Deutschland und Italien stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Elektromobilität des Schwerlastverkehrs dar. Durch die drastische Verkürzung der Ladezeiten wird die elektrische Langstreckenlogistik zunehmend wirtschaftlicher und praktikabler. Die Initiativen beider Länder zeigen, dass durch Zusammenarbeit und innovative Technologien eine nachhaltige Zukunft im Transportsektor erreichbar ist. Um einen flächendeckenden Erfolg zu gewährleisten, bedarf es jedoch weiterhin der Kooperation aller Beteiligten – von Herstellern über Energieversorger bis hin zu Forschungseinrichtungen. Nur so kann die Elektromobilität im Schwerlastverkehr ihren Durchbruch feiern.