Frankreich verpflichtet Supermärkte zu Lebensmittelspenden – warum die Schweiz diesem Beispiel folgen sollte
In Frankreich sind grosse Supermärkte seit 2016 verpflichtet, überschüssige, aber noch genusstaugliche Lebensmittel an Hilfsorganisationen zu spenden, anstatt sie zu vernichten. Das Gesetz gilt als Meilenstein im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung – und liefert ein Modell, von dem auch die Schweiz profitieren könnte.
Frankreichs Vorbild: Aus Abfall wird Solidarität
Die sogenannte „Loi Garot“ schreibt vor, dass Supermärkte ab 400 Quadratmetern Verkaufsfläche keine essbaren Lebensmittel mehr entsorgen dürfen. Stattdessen müssen sie Verträge mit anerkannten Hilfsorganisationen abschliessen. Das mutwillige Unbrauchbarmachen von Ware ist verboten und kann strafrechtlich verfolgt werden.
Die Folge:
- Tonnenweise Nahrungsmittel landen nicht mehr im Abfall.
- Tafeln und soziale Einrichtungen erhalten planbare Spenden.
- Der CO₂-Fussabdruck des Lebensmittelhandels sinkt deutlich.
Die Situation in der Schweiz
In der Schweiz gibt es bisher keine gesetzliche Spendenpflicht. Der Bundesrat verfolgt mit dem Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung das Ziel, die Verluste bis 2030 zu halbieren. Vieles beruht jedoch auf freiwilligen Vereinbarungen zwischen Staat, Detailhandel und Gastronomie.
Pro Jahr entstehen hierzulande rund 2,8 Millionen Tonnen vermeidbarer Lebensmittelabfälle – das entspricht etwa 330 Kilogramm pro Kopf. Etwa 8 % dieser Verluste entstehen im Detailhandel, also genau dort, wo grosse, sortierte Mengen mit funktionierender Kühlkette anfallen.
Organisationen wie Schweizer Tafel oder Tischlein deck dich retten bereits beachtliche Mengen, doch sie erreichen nur einen Bruchteil des Potenzials. Fehlende Kühlfahrzeuge, Personal und Lagerinfrastruktur verhindern, dass noch mehr Lebensmittel verteilt werden können.
Warum eine gesetzliche Regelung sinnvoll wäre
1. Klimaschutz und Ressourcenschonung
Jede gerettete Tonne Lebensmittel spart Energie, Wasser und landwirtschaftliche Fläche. Besonders bei Fleisch, Milchprodukten und Brot wären die Einsparungen erheblich. Eine Spendenpflicht könnte den Klimazielen der Schweiz einen zusätzlichen Schub verleihen.
2. Soziale Wirkung
Eine verbindliche Regelung würde regelmässige und planbare Spendenströme schaffen – ein Segen für soziale Einrichtungen, die täglich mehr Menschen versorgen müssen. In Frankreich hat sich gezeigt: Durch feste Partnerschaften zwischen Supermärkten und Tafeln funktioniert die Weitergabe zuverlässig und hygienisch sicher.
3. Fairness im Markt
Freiwilligkeit führt oft zu Ungleichheit. Einige Ketten engagieren sich stark, andere kaum. Eine gesetzliche Pflicht würde gleiche Bedingungen für alle schaffen und sicherstellen, dass kein Unternehmen aus Kostengründen ausschert.
Wie eine Schweizer Lösung aussehen könnte
- Geltungsbereich: Für Supermärkte ab 400 oder 800 m² Verkaufsfläche.
- Pflichtinhalt: Abschluss einer Spendenvereinbarung mit anerkannten Hilfswerken.
- Haftung: Klare rechtliche Leitlinien für die Lebensmittelsicherheit und Rückverfolgbarkeit.
- Anreize: Steuerliche Vergünstigungen und staatliche Mitfinanzierung der Kühl- und Transportlogistik.
- Transparenz: Jährliche Berichterstattung der gespendeten Mengen.
Eine solche Regelung wäre praxisnah, verhältnismässig und wirksam. Sie würde die freiwilligen Massnahmen nicht ersetzen, sondern sinnvoll ergänzen.
Typische Gegenargumente – und warum sie nicht überzeugen
„Der Handel ist gar nicht der Hauptverursacher von Food Waste.“
Das stimmt – aber er ist der Ort, an dem die effizienteste Rettung möglich ist. Hier fallen grosse, einheitliche Mengen an, die schnell weitergegeben werden können.
„Die Spendenlogistik ist zu aufwendig.“
Mit digitaler Koordination, klaren Abholzeiten und finanzieller Unterstützung kann die Logistik optimiert werden. Frankreich beweist, dass das auch im Alltag funktioniert.
„Lebensmittelsicherheit ist ein Risiko.“
Das Lebensmittelgesetz erlaubt bereits heute die Weitergabe sicherer Produkte. Durch Standards für Kühlung, Etikettierung und Dokumentation kann jede Unsicherheit ausgeschlossen werden.
Nutzen für die Schweiz
Eine Spendenpflicht würde:
- Den CO₂-Fussabdruck der Ernährung deutlich senken.
- Den Bundes-Aktionsplan 2030 stärken.
- Soziale Organisationen verlässlich mit Lebensmitteln versorgen.
- Die Kosten für Entsorgung und Abfallmanagement im Handel reduzieren.
Gleichzeitig würde sie ein gesellschaftliches Signal setzen: Lebensmittel sind wertvoll – und gehören auf den Teller, nicht in den Müll.
Fazit
Frankreich zeigt seit Jahren, dass eine gesetzliche Spendenpflicht funktioniert – ökologisch, sozial und ökonomisch. Die Schweiz könnte mit einer ähnlichen Regelung ein starkes Zeichen für Nachhaltigkeit und Solidarität setzen.
Statt genusstaugliche Lebensmittel wegzuwerfen, sollten wir sie dorthin bringen, wo sie am meisten gebraucht werden – zu Menschen.
Das ist nicht nur eine Frage der Effizienz, sondern auch eine des Respekts vor Natur, Arbeit und Ressourcen.

