- Eine Volksinitiative verlangt Auslauf für alle Nutztiere.
- Die Initianten kritisieren, dass viele Tiere das Tageslicht nie sehen.
- Sie wählen die seltene Form der «allgemeinen Anregung».
- Der Bauernverband nennt die Initiative eine «Zwängerei».
Wer an Landwirtschaft denkt, denkt oft an Kühe auf grünen Wiesen und glückliche Hühner. Dass dieses Bild zumindest teilweise romantisiert ist, erscheint anhand der Mengen, in welchen Tierprodukte in der Schweiz konsumiert werden, einleuchtend.
Geht es nach den Initianten der «Auslauf-Initiative», ist es aber sogar eine ziemliche Verzerrung. Denn gemäss ihnen sehen nur die allerwenigsten der über 80 Millionen Schweizer Nutztiere je das Freie: «Sie sehen den Himmel nur einmal: am Tag ihrer Schlachtung. Und das in einem Land, das sich rühmt, besonders tierfreundlich zu sein», sagt Naomi Rey, Mitinitiantin und Co-Geschäftsleiterin bei Sentience Politics.
Das will die Initiative
Neu soll jedes Tier ein garantiertes Recht auf Auslauf haben – egal ob Kühe, Schweine oder Hühner. Letztere machen in der Rechnung der Initianten den Grossteil der jährlich 80 Millionen Nutztiere in der Schweiz aus.
«Der Bund stellt sicher, dass alle landwirtschaftlich gehaltenen Tiere regelmässigen Auslauf ins Freie erhalten», ist denn auch die Forderung gemäss vorläufigem Initiativtext. Zusätzlich soll der Bund sicherstellen, dass auch importierte Tiere in ihrem Leben Auslauf hatten und «die Umsetzung sozialverträglich erfolgt».
Der Initiativtext im Wortlaut
Für ihr Anliegen haben die Initianten die Form der «allgemeinen Anregung» gewählt, sie verzichten also bewusst auf einen fertig formulierten Verfassungstext (mehr dazu in der Box).
Das ist die Volksinitiative in Form der «allgemeinen Anregung»
Das Komitee besteht derzeit aus den Organisationen KAG-Freiland, der Stiftung für das Tier im Recht und Vier Pfoten. Ins Leben gerufen wurde sie von Sentience Politics, welche unter anderem mit der Basler Initiative «Grundrechte für Primaten» weit über die Landesgrenzen Bekanntheit erlangt hat. Im kommenden Frühjahr soll die Unterschriftensammlung beginnen. Im Komitee gibt es Überschneidungen zum Komitee der Massentierhaltungsinitiative, die im September 2022 an der Urne abgelehnt wurde.
Bauernverband spricht von «Zwängerei»
Auch die Bauern hätte das Komitee gerne an Bord, es gab sogar schon einen «Austausch» bestätigt der Schweizer Bauernverband. Doch auf fruchtigen Boden fiel die Idee der Initianten offensichtlich nicht. So sagt der Verband auf Anfrage: «Der SBV ist erstaunt, dass drei Jahre nach der klaren Ablehnung der Massentierhaltungsinitiative durch Volk und Kantone eine neue Initiative lanciert wird.» Und setzt nach: «Das ist eine Zwängerei.»
Die Mittel der Initianten wären besser in die Sensibilisierung für Labels und Kennzeichnungen investiert «als in eine Initiative, die erneut zu einer Spaltung der verschiedenen Positionen führen könnte», finden die Landwirte weiter.
Sie betonen, dass es bereits freiwillige Programme wie «RAUS» des Bundes gebe, welche Bauern für den Auslauf und gute Tierhaltung belohne. Gleichzeitig produziere die Schweizer Landwirtschaft schon jetzt weit mehr Fleisch unter Tier- oder Naturschutzlabels als der Markt nachfrage. «Wir bedauern diese Situation, die jedoch durch einen verantwortungsbewussteren Konsum korrigiert werden kann», so der Bauernverband.