Rückschritt in der Mode: Das Verschwinden von Plus-Size-Models

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Quelle: Openverse (by) · © Kit Stubbs · Body Positivity

In den letzten Jahren schien es, als würde die Modeindustrie eine bedeutende Veränderung durchleben. Die Bewegung der Body Positivity hatte einen Aufschwung erlebt, der mehr Diversität und Inklusion auf Laufstege und in Werbekampagnen brachte. Doch aktuelle Entwicklungen zeigen, dass dieser Trend nun einen Rückschritt erleidet. Plus-Size-Models verschwinden zunehmend aus der Modewelt, während der Druck, einem traditionellen Schönheitsideal zu entsprechen, wächst.

Die Veränderung der Modebranche

Wie das Plus-Size-Model Felicity Hayward gegenüber dem «Guardian» erklärt, begann 2023 eine drastische Wende im Modegeschäft. «Ozempic wurde in und alles änderte sich», so Hayward. Ozempic ist ein Medikament zur Gewichtsreduktion, das immer mehr Menschen nutzen, um schlanker zu werden. Dies hat zu einem bemerkbaren Rückgang der Anzahl gebuchter Curvy Models geführt, was die Frage aufwirft, ob Vielfalt in der Modebranche nur ein kurzfristiger Trend war.

Die Zahlen sprechen für sich

Die Abnahme der Curvy Models ist faktisch belegt. Laut Haywards regelmässigem Report «Including The Curve» nahm die Anzahl der gebuchten Plus-Size-Models während der London Fashion Week im September 2023 auf 85 zu. Im Februar dieses Jahres waren es jedoch nur 26 Models, was einen alarmierenden Rückgang darstellt. In anderen Städten wie Paris und Mailand bleibt die Anzahl stabil niedrig, während in New York und London zum Herbst hin eine leichte Zunahme festzustellen ist.

Ein Rückblick auf die letzten Jahre

Zu Beginn dieser Bewegung wurde die Sichtbarkeit von Curvy Models in der Modebranche gefeiert. Marlou Esmée Müller, ein Schweizer Curvy Model, stellt jedoch fest, dass die Sichtbarkeit deutlich abgenommen hat. «Die Branche konzentriert sich wieder auf klassische Schönheitsideale», bemerkt sie. Sie beschreibt, wie sie selbst weniger Aufträge erhält und unter dem Druck leidet, sich ständig beweisen zu müssen.

Medizinische Fortschritte und gesellschaftliche Trends

Die Trendforscherin Alexandra Viert bestätigt, dass medizinische Innovationen, wie das Gewicht reduzierende Medikament Ozempic, den Druck auf Menschen, dünn zu sein, verstärken. «Trends werden oft durch medizinische Fortschritte angetrieben», sagt sie. Diese Entwicklung hat nicht nur Einfluss auf Models, sondern auch auf das allgemeine Schönheitsideal in der Gesellschaft, das zunehmend von der Frage nach dem Status geprägt wird, den ein schlanker Körper verkörpert.

Die Rolle der Modeunternehmen

Marlou Esmée Müller ist überzeugt, dass viele Marken Diversität zunächst als Marketingstrategie nutzten. «Sobald das öffentliche Interesse nachliess, ist auch das Engagement zurückgegangen», erklärt sie. Zudem spielt die wirtschaftliche Lage eine Rolle, in der viele Unternehmen bei Produktionen sparen und auf Standardgrössen zurückgreifen. Dies führt dazu, dass Curvy Models nicht die gleiche Beachtung finden wie zuvor.

Unterscheidung zwischen Curvy und Plus-Size-Models

Es gibt spezifische Definitionen für Curvy und Plus-Size-Models. Laut der Modelagentur CM Models werden Plus-Size-Models in der Regel als Frauen mit Konfektionsgrössen ab 40 bis 44 definiert. Curvy Models hingegen bewegen sich zwischen den Grössen 38 und 42. Es wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass es nicht nur um die Zahl, sondern vielmehr um die Körperformen und Rundungen geht.

Die Herausforderungen in der Schweiz

In der Schweiz ist der Rückgang von Curvy Models ebenfalls spürbar. Laut Melke Cetin, Gründer von The-Models, hat die Nachfrage abgenommen, obwohl er an ein Umdenken glaubt, was die Bedeutung von Vielfalt und Inklusion in der Branche angeht. Bettina Schaefer, Director von Scout Model Agency, stellt fest, dass Curvy Models in der Schweiz nie so gefragt waren wie in anderen Ländern. Auch hier verzeichnen sie eine Rückkehr zu grossen, schlanken Models.

Die Auswirkungen von Body Positivity

Alexandra Viert erklärt, dass Body Positivity als Gegentrend zum Schlankheitsideal entstand. Doch sie warnt: «Um den gesellschaftlichen Blick auf nicht-normschöne Körper zu verändern, braucht es mehr als nur ein paar Plus-Size-Models auf Laufstegen.» Die Sichtbarkeit unterschiedlicher Körper ist wichtig, aber alleine nicht ausreichend, um strukturelle Veränderungen zu bewirken, die notwendig sind, um Gewichtsdiskriminierung zu überwinden.

Ein Aufruf zur Veränderung

Marlou Esmée Müller erhofft sich, dass die Modebranche die Diversität als Realität und nicht als Trend erkennt. «Schönheit hat keine Kleidergrösse. Menschen kommen in allen Formen, Grössen und Farben – und das sollte in Kampagnen, Shows und Magazinen sichtbar sein», fordert sie. Eine Welt zu schaffen, in der Menschen nicht über Masse oder Likes definiert werden, sondern über ihren Selbstwert und ihre Echtheit, ist eine Vision, die sich viele wünschen.

Fazit

Die Modeindustrie steht an einem Scheideweg. Während die Anfangstage der Body Positivity eine gewisse Hoffnung auf mehr Inklusion und Diversität weckten, zeigen die jüngsten Trends einen alarmierenden Rückschritt. Der Druck, den gesellschaftlichen Schönheitsidealen zu entsprechen, wird durch medizinische Fortschritte verstärkt. Es bleibt abzuwarten, ob die Modebranche aus ihren Fehlern lernt und Vielfalt nicht nur als kurzfristigen Trend, sondern als essenziellen Bestandteil ihrer Identität akzeptiert. Nur so kann sie zu einem Ort werden, der die Realität der Gesellschaft widerspiegelt und jeden Menschen würdigt.

Redaktion
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Redaktion schreibt bei Nachhaltiger24 über erneuerbare energien (wind/wasser) – mit Fokus auf praxisnahe Tipps, fundierte Quellen und Schweizer Rahmenbedingungen.

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