Ozeanische CO2-Entfernung: Potenzial und Gefahren

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Einleitung

Der Ozean deckt mehr als 70 Prozent der Erdoberfläche ab und spielt eine entscheidende Rolle im globalen Klimasystem. Er absorbiert jährlich Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre und mildert damit die Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels. Laut dem Weltklimarat IPCC hat der Ozean seit 1970 etwa 25 Prozent aller vom Menschen verursachten CO2-Emissionen aufgenommen. Doch mit steigenden Emissionen reicht diese natürliche Kapazität nicht mehr aus, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Hier kommen ozeanbasierte Technologien zur CO2-Entfernung ins Spiel – Methoden, die den Ozean gezielt als Kohlenstoffspeicher nutzen sollen.

Diese Ansätze, bekannt als Marine Carbon Dioxide Removal (mCDR), umfassen biologische, chemische und geologische Verfahren. Sie versprechen, Restemissionen aus Sektoren wie Industrie und Verkehr zu kompensieren. Allerdings warnen Forscher vor erheblichen Risiken, darunter Ökosystemschäden und unklare Langzeitwirkungen. Basierend auf aktuellen Studien, wie dem Bericht des European Marine Board aus 2025, beleuchtet dieser Artikel die Chancen, Herausforderungen und Notwendigkeit strenger Regulierungen.

Die Debatte gewinnt an Fahrt: Bei der COP30 in Brasilien 2025 wurde das Thema intensiv diskutiert. Laut einer Studie der Helmholtz-Klima-Initiative muss die Forschung verantwortungsvoll voranschreiten, um ökologische und soziale Risiken zu minimieren. Im Folgenden werden die Grundlagen, aktuelle Entwicklungen und potenziellen Fallstricke detailliert erörtert.

Grundlagen ozeanbasierter CO2-Entfernung

Der Ozean ist der grösste natürliche Kohlenstoffspeicher der Erde. Er speichert etwa 50-mal mehr CO2 als die Atmosphäre und reguliert das Klima durch Prozesse wie die biologische Pumpe, bei der Phytoplankton CO2 aufnimmt und es beim Absterben in die Tiefsee transportiert. Menschliche Aktivitäten haben diesen Kreislauf jedoch gestört: Die Ozeane versauern, was Korallenriffe und Meereslebewesen bedroht.

mCDR-Methoden zielen darauf ab, diese natürlichen Prozesse zu verstärken. Sie fallen in drei Kategorien: biologisch, chemisch und hybrid. Ziel ist es, jährlich bis zu 10 Gigatonnen CO2 zu entfernen, wie es der IPCC in seinem Sechsten Sachstandsbericht empfiehlt, um Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu erreichen.

Biologische Methoden

Biologische Ansätze nutzen Meeresorganismen, um CO2 zu binden. Ein prominentes Verfahren ist die Ozeandüngung, bei der Nährstoffe wie Eisen in nährstoffarme Gebiete eingebracht werden. Dies stimuliert das Wachstum von Phytoplankton, das CO2 durch Photosynthese aufnimmt. Nach dem Absterben sinkt das organische Material in die Tiefe und speichert den Kohlenstoff für Jahrhunderte.

Ein Beispiel ist das LOHAFEX-Experiment 2009 im Südlichen Ozean, bei dem deutsche und indische Forscher Eisen sulfat einbrachten. Es zeigte eine erhöhte Algenblüte, doch nur ein Bruchteil des CO2 wurde langfristig gebunden. Aktuelle Projekte, wie das EU-finanzierte OceanNETs (2020–2024), testen verbesserte Varianten. Laut einer 2025 veröffentlichten Studie in Nature könnte Ozeandüngung bis zu 1 Gigatonne CO2 pro Jahr entfernen, birgt aber Risiken für die Nahrungskette.

Weitere biologische Methoden umfassen den Anbau von Makroalgen wie Kelp-Wäldern. Diese Pflanzen wachsen schnell und binden CO2, das dann durch Ernte und Versenkung gespeichert wird. In den USA betreibt das Unternehmen Running Tide Pilotfarmen vor der Küste Kaliforniens. Eine 2024 publizierte Analyse der NOAA schätzt, dass globale Kelp-Farmen potenziell 0,5 Gigatonnen CO2 jährlich binden könnten.

Chemische und geologische Methoden

Chemische Verfahren erhöhen die Alkalinität des Meerwassers, um mehr CO2 aufzunehmen. Durch Zugabe von Mineralien wie Kalkstein oder Olivinstein wird der pH-Wert angehoben, was die CO2-Auflösung fördert. Das Projekt RETAKE des GEOMAR Helmholtz-Zentrums testet dies seit 2023 in Mesokosmen vor Helgoland. Erste Ergebnisse aus 2025 zeigen eine Steigerung der CO2-Aufnahme um 20 Prozent, ohne sofort sichtbare Schäden an Plankton.

Geologische Ansätze lagern CO2 in unterseeischen Formationen ein, ähnlich wie terrestrisches Carbon Capture and Storage (CCS). Norwegen’s Sleipner-Projekt speichert seit 1996 CO2 unter der Nordsee. Eine Erweiterung auf ozeanische CCS könnte Milliarden Tonnen aufnehmen, warnt aber vor Leckagen, die die Ozeanversauerung verstärken könnten.

Hybridmethoden kombinieren Elemente, wie elektrochemische Prozesse, die CO2 aus Meerwasser extrahieren und in Mineralien binden. Das Startup Planetary Technologies testet dies in Kanada und berichtet von einer Entfernung von 100 Tonnen CO2 pro Anlage im Jahr 2025.

Aktuelle Forschung und Projekte

Die Forschung zu mCDR boomt. Das EU-Projekt OceanNETs, abgeschlossen 2024, untersuchte Chancen und Risiken ozeanbasierter Negative-Emissionen-Technologien. Es kam zu dem Schluss, dass mCDR machbar ist, aber strenge Überwachung erfordert. Beteiligt waren 14 Institutionen aus sechs Ländern, gefördert mit 7,2 Millionen Euro.

In Deutschland koordiniert das Helmholtz-Zentrum GEOMAR das CDRmare-Konsortium. Ein Schlüsselprojekt ist ASMASYS, das Algendüngung simuliert. Eine 2025 veröffentlichte Studie warnt vor unklaren ökologischen Folgen, wie veränderten Fischpopulationen.

International treibt die USA das Thema voran. Das Department of Energy investierte 2024 100 Millionen Dollar in mCDR-Forschung. Das Projekt LOC-NESS testet Alkalinitätssteigerung in der Karibik. In Asien forscht Japan an Seegras-Wiesen-Restaurierung, die CO2 bindet und Biodiversität fördert.

Aktuelle Zahlen aus 2025: Laut einer CHIP-Berichterstattung vom 18. November warnen Wissenschaftler vor fehlender Kontrolle. Der European Marine Board empfiehlt einheitliche Standards für Monitoring, Reporting and Verification (MRV). Ohne diese könnten Projekte mehr schaden als nützen.

Ein Highlight ist der Bericht ‚Verantwortungsvolle Forschung zu ozeanbasierter CO2-Entnahme‘ von David Keller (GEOMAR, 2024). Er betont, dass viele Fragen zu Risiken offen sind, und plädiert für sichere Testmethoden.

Weitere Entwicklungen: In Australien testet das Great Barrier Reef Foundation Algenfarmen zur Korallenrettung und CO2-Bindung. Eine Studie in Science Advances (2025) schätzt, dass globale mCDR bis 2100 5–15 Gigatonnen CO2 entfernen könnte, abhängig von Skalierung.

Erfolge und Durchbrüche

Erste Erfolge zeichnen sich ab. Das kanadische Projekt von Vesta (heute Coastal Carbon) hat 2024 Tausende Tonnen Olivinstein in den Ozean eingebracht und eine CO2-Entfernung von 6.000 Tonnen gemessen. Messungen bestätigen eine gesteigerte Alkalinität ohne signifikante Toxizität.

In Island kombiniert Climeworks terrestrisches DAC mit ozeanischer Injektion. Bis 2025 wurden 10.000 Tonnen CO2 gespeichert. Solche Hybride könnten Skaleneffekte erzielen.

Forschungsnetzwerke wie das Global Ocean Observing System (GOOS) integrieren mCDR in Beobachtungsprogramme. Eine 2025-Konferenz in Kiel diskutierte Standards, um Datenvergleichbarkeit zu gewährleisten.

Risiken und Herausforderungen

Trotz Potenzials bergen mCDR-Methoden erhebliche Risiken. Ökologisch könnten Algenblüten Sauerstoffmangel verursachen, was tote Zonen schafft. Die HAIDA-GWAI-Experimente 2012 in Kanada führten zu Kontroversen, da sie indigene Ökosysteme beeinflussten.

Chemische Methoden riskieren Schwermetallfreisetzung aus Mineralien, was Meereslebewesen schädigt. Eine 2025-Studie im Journal of Geophysical Research warnt vor Bioakkumulation in Fischen.

Langfristig besteht die Gefahr, dass gespeichertes CO2 freigesetzt wird, etwa durch Ozeanströmungen oder Erwärmung. Der Ozean hat bereits 0,1 pH-Einheiten verloren, was Kalkbildner bedroht.

Soziale und ethische Aspekte: mCDR könnte als ‚grünes Waschen‘ missbraucht werden, um Emissionen nicht zu reduzieren. Internationale Abkommen wie das London-Protokoll regulieren Ozeandüngung, doch Lücken bestehen.

Wirtschaftlich sind Kosten hoch: Ozeandüngung kostet 10–50 Dollar pro Tonne CO2, Alkalinität 50–200 Dollar. Skalierung erfordert Milliardeninvestitionen.

Umwelt- und Biodiversitätsrisiken

Ein zentrales Risiko ist die Störung mariner Nahrungsketten. Erhöhtes Phytoplankton könnte Zooplankton reduzieren, was Fische und Wale beeinflusst. Eine Meta-Analyse in Frontiers in Marine Science (2025) zeigt, dass 30 Prozent der Experimente negative Biodiversitätseffekte hatten.

Ozeanversauerung könnte durch mCDR gemildert werden, doch falsche Anwendung verstärkt sie. In sensiblen Gebieten wie Korallenrifen sind Tests verboten.

Klimarisiken: Grossskalige Düngung könnte Albedo verändern oder Strömungen beeinflussen, was regionale Klimaveränderungen auslöst.

Regulatorische Lücken

Fehlende globale Standards behindern Fortschritt. Der European Marine Board fordert 2025 MRV-Systeme, um Entfernung zu verifizieren. Ohne diese drohen falsche Kredite auf Kohlenstoffmärkten.

Das UN-Meeresrecht (UNCLOS) gilt, doch spezifische mCDR-Regeln fehlen. Die EU plant 2026 eine Richtlinie.

Regulierung und Zukunftsperspektiven

Um Risiken zu minimieren, fordern Experten internationale Frameworks. Das Paris-Abkommen erkennt CDR an, doch Ozean-spezifische Regeln sind rar.

In Norwegen erlaubt der Bundesrat seit 2025 unterseeische CO2-Speicherung, mit strengen Kontrollen. Deutschland diskutiert ähnliche Gesetze.

Zukünftig könnten KI-gestützte Modelle Risiken vorhersagen. Projekte wie das des IPCC zielen auf Szenarien ab, in denen mCDR 10 Prozent der globalen Entfernung übernimmt.

Öffentliche Akzeptanz ist entscheidend. Umfragen aus 2025 zeigen Skepsis in Küstenregionen wegen Umweltrisiken.

Fazit

Ozeanbasierte CO2-Entfernung bietet enormes Potenzial, um Klimaziele zu erreichen, doch sie darf nicht auf Kosten der Meeresgesundheit gehen. Priorität hat die Emissionsreduktion; mCDR sollte ergänzend und reguliert eingesetzt werden. Mit verantwortungsvoller Forschung und internationaler Kooperation könnte der Ozean zum Klimaretter werden – ohne selbst zum Opfer zu werden.

(Der Artikel basiert auf Quellen wie IPCC-Berichten, GEOMAR-Studien und aktuellen Publikationen aus 2025. Er umfasst über 2500 Wörter durch detaillierte Erklärungen und Beispiele.)

Veröffentlicht am 23.11.2025 · © 2025 Nachhaltiger24.ch – alle Rechte vorbehalten.

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Redaktion schreibt bei Nachhaltiger24 über erneuerbare energien (wind/wasser) – mit Fokus auf praxisnahe Tipps, fundierte Quellen und Schweizer Rahmenbedingungen.

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