Artenvielfalt unter Wasser: Der stille Alarm in den Schweizer Gewässern
Die Schweizer Seen und Flüsse, einst reich an einer vielfältigen Fischartenpalette, stehen heute vor einer beunruhigenden Realität. Die neueste Rote Liste der gefährdeten Arten, herausgegeben vom Bundesamt für Umwelt (BAFU), malt ein düsteres Bild: Von 71 erfassten einheimischen Fischarten und Rundmäulern gelten lediglich 14 als nicht gefährdet. Ein alarmierender Anteil von 15 Arten ist akut vom Aussterben bedroht, während neun in den letzten hundert Jahren bereits aus den Schweizer Gewässern verschwunden sind. Doch was steckt hinter dieser erschreckenden Entwicklung, und welche Schritte können unternommen werden, um die bedrohte Unterwasserwelt zu retten?
Ursachen des Artenrückgangs
Die Gründe für den Rückgang der Fischarten sind vielfältig und zeugen von den tiefgreifenden Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf natürliche Ökosysteme. Gewässerverbauungen, die Einführung invasiver Arten, Nährstoffanreicherungen, Mikroverunreinigungen und der Klimawandel sind nur einige der Faktoren, die das Überleben der Fische bedrohen.
Besonders besorgniserregend ist die Situation der Felchen im Genfersee und anderer grosser Schweizer Seen. Ein Drittel der 34 Felchenarten, die sich seit der letzten Eiszeit in der Schweiz entwickelt haben, ist bereits ausgestorben. Die Ursache: eine Überkonzentration von Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff, die zu einem übermässigen Wachstum von Wasserpflanzen und damit zu einem Sauerstoffmangel im Wasser führen.
Klimawandel: Eine unsichtbare Bedrohung
Der Klimawandel verschärft die bestehenden Probleme. Er führt zu höheren Wassertemperaturen und beeinträchtigt die Durchmischung des Wassers, was für die Sauerstoffversorgung in tieferen Schichten essentiell ist. Der Genfersee wurde beispielsweise seit über zwölf Jahren nicht mehr vollständig durchmischt, was die Lebensbedingungen für sauerstoffliebende Arten verschlechtert. Zudem begünstigen höhere Temperaturen die Ausbreitung von Krankheiten, die insbesondere für Lachsartige, aber auch für andere Fischarten wie den Hecht, fatal sein können.
Mikroverunreinigungen: Eine tickende Zeitbombe
Ein weiteres Problem stellen Mikroverunreinigungen dar, zu denen Pestizide, Arzneimittel und Mikroplastik zählen. Diese Stoffe gelangen in geringen Konzentrationen in die Gewässer und entfalten dort einen kaum abschätzbaren Cocktail-Effekt. Die stetig wachsende Produktion synthetischer Chemikalien verschärft das Problem weiter. Aktuell gibt es über 350.000 synthetische Chemikalien auf dem Markt, von denen nur ein Bruchteil hinsichtlich ihrer Umweltrisiken bewertet wird.
Massnahmen und Hoffnungsschimmer
Trotz der düsteren Lage gibt es auch Hoffnung. Die Schweiz engagiert sich aktiv in Programmen zur Verbesserung der Wasserqualität, zur Renaturierung von Fliessgewässern und zum Schutz von Fischpopulationen. Ein Beispiel ist das Bestreben, den Lachs wieder in Schweizer Gewässern anzusiedeln. Zudem arbeitet die Schweiz mit Nachbarländern in überstaatlichen Gewässerschutzkommissionen zusammen, um die Ökosysteme grenzüberschreitend zu schützen und zu regenerieren.
Ein Appell an die Gesellschaft
Die Rettung der Schweizer Unterwasserwelt erfordert jedoch mehr als nur politische und wissenschaftliche Anstrengungen. Es bedarf eines gesellschaftlichen Umdenkens und eines verstärkten Bewusstseins für die Bedeutung von intakten Gewässerökosystemen. Jeder Einzelne kann durch bewusstes Handeln und Konsumverhalten zum Schutz der Artenvielfalt beitragen. Ob es darum geht,
den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren, Plastikverbrauch zu minimieren oder sich für naturnahe Gewässergestaltung einzusetzen – jede Massnahme zählt.
Fazit
Die bedrohte Artenvielfalt unter Wasser in der Schweiz ist ein Weckruf, der uns alle angeht. Es ist ein Kampf gegen die Zeit, um die verbliebenen Arten zu schützen und ausgestorbene, wo möglich, wieder anzusiedeln. Der Erhalt der biologischen Vielfalt in unseren Gewässern ist nicht nur für die betroffenen Arten selbst von Bedeutung, sondern auch für die Aufrechterhaltung der ökologischen Gleichgewichte, von denen letztlich auch der Mensch abhängig ist. Die Herausforderungen sind gross, doch mit vereinten Kräften und einem nachhaltigen Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen können wir einen Unterschied machen.