Von der Redaktion Nachhaltiger24.ch – Oktober 2025
Ein neuer Ton in der Schweizer Kirchenlandschaft
In Zürich, Bern und weiteren Städten der Schweiz wächst eine Freikirche, die mit einem modernen Ansatz und viel emotionalem Engagement vor allem junge Menschen anspricht: die Erste Liebe Kirche, international bekannt als First Love Church.
Ihre Gottesdienste sind geprägt von Musik, Tanz, Gebet und einer starken Gemeinschaftsdynamik. Die Kirche inszeniert sich als jugendnah, energiegeladen und lebensbejahend – ein deutlicher Kontrast zu den oft stillen, traditionellen Gottesdiensten der Landeskirchen.
Entstehung und Verbreitung
Die Erste Liebe Kirche ist Teil einer internationalen Bewegung, die ursprünglich aus Ghana stammt und dort durch den Prediger Dag Heward-Mills bekannt wurde. In der Schweiz trat die Kirche in den letzten Jahren unter dem deutschsprachigen Namen auf, mit eigenen Standorten in Zürich, Bern und Wallisellen.
Ihre Struktur ähnelt jener vieler evangelikaler Freikirchen: eigenständige lokale Gemeinden, gemeinsame Grundausrichtung, intensive soziale Aktivitäten und ein klarer Fokus auf persönliche Glaubenserfahrungen.
Der Gottesdienst: Emotional, laut und verbindend
Ein Bericht des Schweizer Religionsportals relinfo.ch beschreibt die Atmosphäre in einem ihrer Gottesdienste als „offen, herzlich und mitreissend“. Besucher würden bereits am Eingang persönlich begrüsst, die Stimmung sei fast festivalartig. Musik spielt eine zentrale Rolle – moderne Worship-Songs, Lichtshows und persönliche Zeugnisse prägen die Feier.
Der Ablauf folgt dabei einem klaren Muster: Lobpreis, Predigt, Gebet – und ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Neue Besucher werden aktiv angesprochen, eingeladen, erneut zu kommen, und oft auch direkt in kleine Gruppen (sogenannte „Cell Groups“) eingebunden.
„Die Kirche schafft es, Emotionen zu wecken und Menschen einzubinden, die sich in traditionellen Gemeinden oft nicht mehr zuhause fühlen.“
– relinfo.ch, Bericht vom 05.08.2024
Kritische Stimmen und offene Fragen
Mit ihrer wachsenden Präsenz kommen jedoch auch kritische Stimmen auf. Mehrere Beobachter weisen auf Strukturen hin, die teils als stark hierarchisch oder psychologisch fordernd beschrieben werden.
Auch das Thema Spenden und Geld wird immer wieder diskutiert. Während klassische Kirchen über Kirchensteuern finanziert werden, leben Freikirchen ausschliesslich von freiwilligen Beiträgen.
In der Erste Liebe Kirche wird laut relinfo.ch in jedem Gottesdienst zu Spenden aufgerufen – auch digital per TWINT oder Bank-App. Dabei wird die Spende nicht nur als finanzielle Unterstützung, sondern oft auch als „Glaubensakt“ dargestellt.
„Wir sind mit TWINT gesegnet“ – so lautet ein Satz aus einem beobachteten Gottesdienst.
– Quelle: relinfo.ch, 2024
Solche Formulierungen werfen Fragen auf: Wie transparent werden die Mittel eingesetzt? Wie stark ist der Gruppendruck bei finanziellen Beiträgen? Und wie werden junge, unerfahrene Mitglieder geschützt?
Zwischen Begeisterung und Verantwortung
Die Kirche positioniert sich klar als Bewegung für junge Menschen. Sie nutzt Social Media aktiv, inszeniert Videos, lädt zu Wochenend-Retreats und Jugendkonferenzen ein. Auf Instagram folgen ihr mehrere tausend Personen, die dort Lobpreisclips, Predigten und Eventhinweise sehen.
Aus religionssoziologischer Sicht ist das Konzept erfolgreich: Die Kirche bietet Zugehörigkeit, Sinn und soziale Einbindung – Bedürfnisse, die gerade in einer digitalisierten und individualisierten Gesellschaft oft unerfüllt bleiben.
Gleichzeitig braucht es, wie Religionsforscher betonen, klare ethische Leitlinien: emotionale Bindung darf nicht in Abhängigkeit übergehen. Glaubensfreiheit bedeutet auch, jederzeit frei gehen zu können – ohne Druck, ohne Schuldgefühl.
Ein Spiegel der Zeit
Die Erste Liebe Kirche steht sinnbildlich für eine neue Generation von Glaubensgemeinschaften in der Schweiz: emotionaler, direkter, global vernetzt. Sie spricht jene an, die traditionelle Kirchen verloren haben – und bietet ihnen Gemeinschaft, Musik und Identität.
Doch dieser Erfolg wirft auch gesellschaftliche Fragen auf:
- Wie geht die Schweiz mit wachsenden, nicht-staatlichen Glaubensgemeinschaften um?
- Wie werden Transparenz und Rechenschaftspflicht geregelt?
- Und wie können spirituelle Freiheit und persönliche Verantwortung im Gleichgewicht bleiben?
Diese Fragen sind nicht nur theologisch, sondern auch gesellschaftlich relevant – gerade in einem Land, in dem Religion zunehmend Privatsache geworden ist.
Fazit
Die Erste Liebe Kirche ist zweifellos ein wachsender Akteur im Schweizer Glaubensleben. Sie bringt frischen Wind, moderne Formen und Begeisterung – doch sie bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Inspiration und Einflussnahme.
Wer diese Kirche besucht, erlebt ein intensives Gemeinschaftsgefühl und lebendige Spiritualität – aber auch eine Organisation, die stark von Engagement, Loyalität und Spendenbereitschaft lebt.
Wie nachhaltig dieses Modell ist, wird sich zeigen.
Fest steht: Die Erste Liebe Kirche verändert das Bild von Religion in der Schweiz – und zeigt, dass Glaube im 21. Jahrhundert längst neue Formen gefunden hat.
Quellen
- Relinfo.ch: „Erste Liebe Kirche – Wenn man in einem Unigebäude zur Kirche geht“, 05.08.2024
- Allianz Zürich: Arbeitsgemeinschaft First Love Church, 2024
- Blick.ch: „Wie Freikirchen die Schweiz erobern“, 2023
- Eigene Recherchen, Nachhaltiger24.ch, 2025

