Die Situation rund um die Pro-palästinensischen Demonstrationen in Bern nimmt immer komplexere Züge an. Nachdem es im Oktober zu massiven Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und der Polizei kam, ergreift die Berner Regierung Massnahmen, die bei den Polizeibeamten auf scharfe Kritik stossen. Diese gewillten Neuerungen betreffen die Erreichbarkeit der Polizisten, was nicht nur ihre Arbeitsbedingungen, sondern auch ihr Privatleben stark beeinflussen könnte.
Hintergrund der Situation
Die Berner Regierung erwartet bis Ende November eine Zunahme gewaltsamer Demos. Dies ist eine Reaktion auf die anhaltenden Spannungen, die durch die politischen Ereignisse im Nahen Osten ausgelöst wurden. Die Stadt Bern ist besonders betroffen von dieser Entwicklung, was sich nicht nur in der Anzahl der durchgeführten Demonstrationen, sondern auch in der Intensität der Auseinandersetzungen widerspiegelt. Insbesondere im Oktober kam es zu heftigen Kämpfen, die über ein Dutzend Polizisten verletzten und einen erheblichen Sachschaden von mehreren Millionen Franken verursachten.
Neue Anordnung für Polizisten
Im Rahmen dieser angespannten Lage hat der stellvertretende Polizeikommandant Stefan Lanzrein eine Anordnung erlassen, die besagt, dass alle Polizeibeamten bis Ende November jederzeit erreichbar sein müssen – sogar in der Freizeit. Laut einem Bericht von nau.ch wurden die Beamten aufgefordert, ihre Diensthandys ständig bei sich zu tragen und diese auch nach Dienstende eingeschaltet zu lassen. Dies solle sicherstellen, dass im Ernstfall genügend Beamte von Alarmierungen erfahren und schnell reagieren können.
Wenn Befehle in Empfehlungen umgewandelt werden
Trotz der Formulierung als «Bitte» wird von vielen betroffenen Polizisten angemerkt, dass diese Anweisung eher einem Befehl gleicht. Berichten zufolge drohen disziplinarische Konsequenzen für diejenigen, die die Anordnung nicht befolgen. Eine Polizistin äusserte, dass viele ihrer Kollegen persönliche und berufliche Einschränkungen durch diese Weisung empfinden. Der Druck, der durch Überarbeitungen und unbezahlte Bereitschaftsdienste entsteht, führe zu einer unhaltbaren Situation. Internes Ansprechen dieser Themen soll zudem zu negativen Konsequenzen in den Dienstplänen führen, was die Frustration weiter verstärkt.
Reaktionen aus der Polizeigewerkschaft
Die Anordnung stösst nicht nur bei den betroffenen Polizisten auf Widerstand, sondern auch bei den Vertretern der Polizeigewerkschaft. Adrian Wüthrich, Präsident der Polizeigewerkschaft Bern, bezeichnet die Massnahme als «Frechheit» und warnt vor einem massiven Eingriff in das Privatleben der Angestellten. Diese grundlegenden Bedenken zeigen, wie stark die neue Regelung die Lebensqualität der Polizisten beeinträchtigt.
Stellungnahme der Kantonspolizei Bern
Die Kantonspolizei Bern hingegen weist die Vorwürfe zurück und betont, dass es sich bei der Anordnung lediglich um eine Sensibilisierung handle. Sie argumentiert, dass keinerlei disziplinarische Konsequenzen drohen, solange die Mitarbeitenden im Notfall nicht zur Verfügung stehen können. Zudem heben sie hervor, dass eine offene Feedbackkultur innerhalb der Behörde gepflegt werde.
Fazit: Zwischen Sicherheit und Lebensqualität
Die Anordnung zur ständigen Erreichbarkeit wirft nicht nur Fragen zur Sicherheit und Einsatzbereitschaft auf, sondern stellt auch die Lebensqualität der Polizisten in den Mittelpunkt der Diskussion. Der Spagat zwischen der Sicherstellung von öffentlicher Ordnung und der Wahrung persönlicher Freiräume könnte langfristig zu einem erheblichen Unmut unter den Beamten führen. Eine Lösung, die beide Aspekte in Einklang bringt, ist dringend notwendig, um das Vertrauensverhältnis zwischen der Polizei und der Bevölkerung nicht zu gefährden.

