Der Klimawandel und die Notwendigkeit, auf erneuerbare Energien umzusteigen, sind zentrale Themen unserer Zeit. Die Deutsche Bahn, als grösster Stromverbraucher Deutschlands, hat die Möglichkeit, einen bedeutenden Beitrag zur Energiewende zu leisten. Eine aktuelle Studie des Fraunhofer ISE enthüllt das enorme Potenzial zur Einspeisung von Solarstrom direkt ins Bahnstromnetz und zeigt, dass die Bahnbetreiber in Deutschland innovativ umdenken müssen.
Forschungsprojekt PV4Rail: Eine vielversprechende Untersuchung
Im Rahmen des Projekts PV4Rail haben Fachleute des Fraunhofer ISE und deren Partner ein neuartiges Konzept entwickelt, das es ermöglicht, Solarstrom direkt ins 16,7-Hz-Bahnstromnetz einzuspeisen. Diese Technik könnte einen revolutionären Einfluss auf die Energieversorgung der Deutschen Bahn haben. Die Studie befasst sich sowohl mit dem technischen als auch mit dem wirtschaftlichen Potenzial von Photovoltaik-Anlagen entlang von Bahntrassen. Momentan wird der Strombedarf der Bahnen hauptsächlich durch konventionelle Kraftwerke gedeckt, doch das könnte sich mit der richtigen Umsetzung bald ändern.
Potenzial entlang der Schienen: Eine riesige Energiequelle
Laut den Forschungsergebnissen könnte in einem Umkreis von nur zwei Kilometern um die Bahn-Unterwerke in Deutschland eine Gesamtleistung von 37,6 GWp durch PV-Anlagen installiert werden. Diese könnten einen jährlichen Ertrag von 32,92 Milliarden kWh erzielen – mehr als das Vierfache des derzeitigen Strombedarfs, der 2023 bei 7,5 Milliarden kWh (7.500 GWh) lag. Andreas Hensel, Projektleiter am Fraunhofer ISE, merkt an, dass ein relevanter Teil des Strombedarfs durch Photovoltaik gedeckt werden könnte, wenn die regulatorischen Hürden abgebaut werden.
Technische Herausforderungen: Neuer Wechselrichter für das Bahnstromnetz
Eine der grössten Hürden, die es zu überwinden gilt, ist die technische Anpassung des Netzes. Das Bahnstromnetz unterscheidet sich von herkömmlichen Stromnetzen, da es einphasig mit 16,7 Hertz betrieben wird. Ein Team von Ingenieuren hat im Projekt PV4Rail einen speziellen Zentralwechselrichter mit einer Leistung von 2 Megawatt entwickelt, der in der Lage ist, diese Anforderungen zu erfüllen. Bei Tests im Multi-Megawatt-Labor des Fraunhofer ISE wurde ein Wirkungsgrad von 96,6 Prozent gemessen. Diese technische Innovation stellt einen bedeutenden Fortschritt dar und könnte den Weg für zukünftige PV-Anlagen im Bahnstromnetz ebnen.
Verschiedene Anlagengrössen und Netzanschlussszenarien
Die Studie beschreibt unterschiedliche Netzanschlussszenarien, je nach Grösse der installierten PV-Anlage. Kleinere Anlagen bis 5 MW könnten direkt in die Oberleitung einspeisen, während mittelgrosse Anlagen bis zu 12 MW über bestehende Unterwerke angeschlossen werden können. Bei grossen Anlagen bis 40 MW wäre in der Regel der Bau eines eigenen Unterwerks mit Transformator und Schaltanlage erforderlich. Diese Optionen bieten Flexibilität und schaffen Möglichkeiten für eine breitere Implementierung von Solarprojekten entlang von Bahnstrecken.
Der Einfluss der Regulierung auf die Umsetzung
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse steht die Umsetzung der Projekte auf der Kippe. Derzeit fehlen in Deutschland die notwendigen regulatorischen Rahmenbedingungen, um PV-Anlagen, die direkt ins Bahnstromnetz einspeisen, zu etablieren. Während Länder wie Österreich mit der ÖBB bereits erfolgreich mehrere Bahnstrom-PV-Projekte realisiert haben, liegt Deutschland in dieser Hinsicht noch zurück. Auch die Schweiz zeigt, dass es möglich ist, diese Art von Projekten voranzutreiben.
Fazit: Ein Aufruf zum Handeln
Das Fraunhofer ISE hat mit der Studie PV4Rail einen bedeutenden Schritt in die Zukunft der Energieversorgung für die Deutsche Bahn aufgezeigt. Mit den richtigen technologischen Lösungen und der Bereitschaft zur Anpassung der regulatorischen Rahmenbedingungen könnte Photovoltaik zu einer zentralen Energiequelle im Bahnstromnetz werden. Es ist an der Zeit, dass die entsprechenden Entscheidungsträger konkrete Schritte einleiten, um die Chancen, die Solarenergie entlang von Bahntrassen bietet, zu nutzen. Eine nachhaltigere und umweltfreundlichere Energiezukunft für die Deutsche Bahn liegt in der Reichweite, wenn Mut und Innovationsgeist gefördert werden.