Weisse Arena-Deal fix: Skigebiet bleibt in Schweizer Hand

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Quelle: Pixabay (Pixabay License) · © Tuor · Laax

Ein historischer Entscheid für die Region – und ein Modell für nachhaltigen Tourismus in der Schweiz.

In einer Zeit, in der viele Schweizer Bergregionen unter Druck stehen – wirtschaftlich, klimatisch und touristisch – setzen drei Bündner Gemeinden ein klares Zeichen: Flims, Laax und Falera übernehmen gemeinsam die touristische Infrastruktur ihres Skigebiets. Mit einer überwältigenden Mehrheit haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dem sogenannten Weisse-Arena-Deal zugestimmt. Damit bleibt eines der bekanntesten Skigebiete der Schweiz in öffentlicher Hand – und wird nicht an ausländische Investoren verkauft.


Ein Ja mit Signalwirkung

Die Zustimmung fiel deutlich aus: In Flims sagten 85,5 Prozent Ja, in Laax und Falera stimmte die Bevölkerung ebenfalls mit grosser Mehrheit zu. Das Resultat zeigt, wie geschlossen die Region hinter dem Projekt steht.
Mit dem Entscheid übernehmen die drei Gemeinden nicht nur die Verantwortung für die touristische Zukunft der Region, sondern auch eine wirtschaftliche Aufgabe von beträchtlicher Grösse.

Denn der Kaufpreis beträgt 94,5 Millionen Franken. Finanziert wird die Übernahme durch eine Mischung aus Eigenmitteln der Gemeinden, Darlehen und Bankkrediten. Rund 32 Millionen Franken stammen direkt von Flims, Laax und Falera, weitere 20 Millionen werden als Darlehen von der Weisse Arena Gruppe bereitgestellt. Der Restbetrag wird über Fremdfinanzierung abgedeckt.

Die neue Eigentümerin, die Infra AG, wird von den drei Gemeinden gemeinsam kontrolliert – mit einem Anteil von je 40 Prozent für Flims und Laax und 20 Prozent für Falera. Die Gesellschaft übernimmt Bahnen, Lifte, Gebäude, Werkstätten, Wasserleitungen und alle dazugehörigen technischen Einrichtungen.


Ein mutiger Schritt – gegen den Trend der Privatisierung

Der Entscheid ist mehr als nur eine wirtschaftliche Transaktion. Er ist ein politisches Statement.
In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Bergbahnen in der Schweiz ausländische Investoren angezogen – oft mit dem Versprechen von Kapitalzufluss, aber auch mit der Gefahr des Kontrollverlusts über eine zentrale Infrastruktur.

Die Gemeinden im Bündner Oberland wollten genau das verhindern. Sie betonen, dass die touristische Infrastruktur Teil der regionalen Daseinsvorsorge ist und in öffentlicher Hand bleiben soll. Das Ziel sei nicht Gewinnmaximierung, sondern langfristige Stabilität und die Wahrung des regionalen Charakters.

Gemeindepräsidentin Andrea Montalta aus Flims sagte sinngemäss: „Wir übernehmen Verantwortung, um sicherzustellen, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt – und dass wir selbst bestimmen, wie sich unser Berggebiet entwickelt.“


Ein Sozialmodell für die Region

Die Zustimmung in der Bevölkerung war auch deshalb so gross, weil der Deal konkrete Vorteile für Einheimische bringt.
Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre aus den drei Gemeinden sollen künftig gratis Ski fahren können. Für Erwachsene wird das Jahresabo auf 250 Franken begrenzt – ein Bruchteil des regulären Preises.

Zum Vergleich: Für auswärtige Gäste kostet ein Saisonabo im Skigebiet Flims-Laax-Falera in Kombination mit Arosa Lenzerheide oder Davos-Klosters bis zu 1’300 Franken.

Die vergünstigten Tarife für Einheimische sollen nicht nur die lokale Bevölkerung entlasten, sondern auch einen Beitrag zur Nachwuchsförderung leisten. Wintersport soll kein Luxusgut werden, sondern Teil der regionalen Kultur bleiben.

Dieses Modell stärkt die Identifikation der Bevölkerung mit „ihrem“ Berggebiet und könnte für andere Regionen der Schweiz als Vorbild dienen.


Finanzielle Verantwortung und Risiko

Natürlich bringt der Kauf auch finanzielle Risiken mit sich. Der Betrieb einer solchen Infrastruktur ist kapitalintensiv und stark von saisonalen Schwankungen abhängig.
Die Investitionen in die technische Wartung, in Ersatzanlagen und in die Modernisierung werden künftig über die Infra AG laufen. Die Gemeinden versichern, dass dafür keine Steuererhöhungen oder Nachtragskredite nötig sind.

Dennoch ist klar: Das finanzielle Engagement ist langfristig. Die Einnahmen aus Pacht und Nutzung müssen reichen, um Zins- und Tilgungsleistungen zu decken. Sollte die Besucherzahl deutlich zurückgehen oder der Wintertourismus aufgrund klimatischer Veränderungen schwächeln, könnten neue Herausforderungen entstehen.

Die Verantwortlichen sind sich dieser Risiken bewusst, setzen aber auf einen langfristig nachhaltigen Betrieb, der wirtschaftliche Vernunft mit touristischer Attraktivität kombiniert.


Tourismus mit Zukunft – Nachhaltigkeit als Leitlinie

Das neue Modell soll nicht nur die Besitzverhältnisse sichern, sondern auch neue Akzente im Bereich Nachhaltigkeit setzen.
Die Gemeinden haben angekündigt, in Zukunft stärker auf ökologische und klimafreundliche Investitionen zu setzen. Dazu gehören:

  • Energieeffiziente Beschneiungssysteme mit Wasserrückführung und Solarstromversorgung.
  • Optimierte Transportlösungen für Gäste, um den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren.
  • Regionale Beschaffung und lokale Arbeitsplätze, um Wertschöpfung in der Region zu halten.
  • Förderung von Ganzjahrestourismus, um Abhängigkeiten von schneereichen Wintern zu reduzieren.

Gerade in Zeiten des Klimawandels wird es entscheidend sein, wie flexibel und innovativ Bergregionen auf Veränderungen reagieren.
Flims-Laax-Falera will nicht nur eines der modernsten Skigebiete bleiben, sondern auch ein Pionier nachhaltiger Bergentwicklung werden.


Das Zusammenspiel mit der Weisse Arena Gruppe

Der bisherige Betreiber, die Weisse Arena Gruppe, bleibt weiterhin ein wichtiger Partner.
Das Unternehmen wird die Anlagen auch künftig betreiben – jedoch im Rahmen eines langfristigen Pachtvertrags.
Dieses sogenannte „Sale-and-Lease-Back“-Modell hat zwei Vorteile: Einerseits sichert es der Gruppe den operativen Betrieb, andererseits ermöglicht es den Gemeinden, die Infrastruktur langfristig zu kontrollieren.

Der jährliche Pachtzins soll laut Vereinbarung bei rund 13 Millionen Franken liegen. Damit finanzieren die Gemeinden einen Teil ihrer Kredite und stellen sicher, dass die Rückzahlung planbar bleibt.

Das Modell gilt in der Schweiz als innovativ, da es öffentliche Verantwortung mit privatwirtschaftlicher Effizienz kombiniert – ein Mittelweg zwischen rein staatlicher Kontrolle und vollständiger Privatisierung.


Regionale Identität statt Renditedruck

Dass ein solches Modell funktioniert, hängt von einem zentralen Punkt ab: Vertrauen.
In Flims, Laax und Falera ist dieses Vertrauen da.
Die Bevölkerung sieht die touristische Infrastruktur nicht als reines Investment, sondern als Teil ihres Lebensraums.
Die Bahnen sind Verkehrswege, die Restaurants und Skischulen Arbeitgeber, die Skilifte Orte der Begegnung.

Mit dem Kauf will die Region verhindern, dass Entscheidungen über Preise, Personal oder Investitionen künftig in London, Dubai oder Hongkong getroffen werden.
Es geht um Selbstbestimmung – und um das Bewahren eines Stücks Schweizer Identität.


Ein Modell für die ganze Schweiz?

Der Weisse-Arena-Deal könnte Signalwirkung weit über Graubünden hinaus haben.
Viele Bergregionen stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Hohe Investitionskosten, wachsende Klimarisiken und internationaler Konkurrenzdruck.
Das Beispiel Flims-Laax-Falera zeigt, dass Gemeinden gemeinsam Lösungen finden können, die sowohl ökonomisch tragbar als auch demokratisch legitimiert sind.

Anstatt Infrastruktur zu verkaufen, können Regionen sie selbst verwalten – wenn sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
Das erfordert Mut, Zusammenarbeit und eine klare Vision.


Kritik – und warum sie nicht überwiegt

Natürlich gibt es auch kritische Stimmen.
Einige Ökonomen warnen, dass öffentliche Hand und Unternehmertum schwer zu vereinen seien.
Die Gefahr, dass politische Rücksichtnahme betriebswirtschaftliche Entscheidungen erschwert, ist real.

Doch in diesem Fall überwiegt der volkswirtschaftliche Nutzen.
Denn die Alternative wäre ein Verkauf an Investoren, deren Hauptinteresse nicht die Region, sondern die Rendite wäre.
Die Gemeinden sichern mit ihrem Schritt langfristig Arbeitsplätze, Tourismusströme und Einnahmen – und stärken gleichzeitig das Vertrauen der Bevölkerung.


Fazit: Ein mutiger Entscheid mit Symbolkraft

Der Weisse-Arena-Deal ist weit mehr als ein regionales Projekt.
Er steht für eine Bewegung, die in der Schweiz an Bedeutung gewinnt: Die Rückkehr zur Eigenverantwortung und zum Schutz regionaler Ressourcen.
Flims, Laax und Falera haben gezeigt, dass demokratische Entscheidungen und wirtschaftliche Weitsicht kein Widerspruch sein müssen.

Ja, der Kauf ist teuer, und ja, die Zukunft bleibt ungewiss.
Doch gerade in einer Zeit, in der viele Regionen von Abwanderung, Klimawandel und Kapitaldruck betroffen sind, sendet dieser Entscheid ein starkes Signal:
Die Berge gehören den Menschen, die in ihnen leben – und nicht den Märkten, die sie bewerten.

Redaktion
Redaktion
Redaktion schreibt bei Nachhaltiger24 über erneuerbare energien (wind/wasser) – mit Fokus auf praxisnahe Tipps, fundierte Quellen und Schweizer Rahmenbedingungen.

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