Ernährung und Biodiversität: Wie eine abwechslungsreiche Ernährung die Artenvielfalt fördern kann – Ein Schweizer Blick auf den Zusammenhang zwischen Teller und Natur
Der Klimawandel, das Artensterben und der Verlust von Biodiversität sind globale Herausforderungen, die auch die Schweiz betreffen. Ein wesentlicher, oft unterschätzter Faktor in diesem Zusammenhang ist unsere Ernährung. Was wir täglich auf den Teller legen, hat direkte Auswirkungen auf die Umwelt und die Artenvielfalt. In der Schweiz wird zunehmend erkannt, dass eine vielfältige und bewusste Ernährung nicht nur gesünder ist, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Biodiversität leisten kann. Dieser Artikel beleuchtet, wie eine abwechslungsreiche Ernährung die Artenvielfalt unterstützt, welche Rolle die Schweiz dabei spielt und welche aktuellen Entwicklungen zu beobachten sind.
Biodiversität und Ernährung: Wie hängen sie zusammen?
Biodiversität, also die Vielfalt an Lebensformen auf unserem Planeten, ist ein entscheidender Faktor für das Funktionieren der Ökosysteme und die Stabilität unseres Klimas. Sie umfasst nicht nur die verschiedenen Tier- und Pflanzenarten, sondern auch die genetische Vielfalt innerhalb dieser Arten sowie die Vielfalt der Ökosysteme, in denen sie leben. Eine intakte Biodiversität ist essenziell für saubere Luft, fruchtbare Böden, die Bestäubung von Pflanzen und viele weitere ökologische Prozesse, die auch unsere Nahrungsmittelproduktion beeinflussen.
Die Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren und konsumieren, hat jedoch tiefgreifende Auswirkungen auf die Biodiversität. Die moderne industrielle Landwirtschaft, die auf Monokulturen, den intensiven Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln sowie die Massentierhaltung setzt, trägt massgeblich zum Verlust von Artenvielfalt bei. Durch den Anbau immer weniger Pflanzenarten und die Zucht weniger Nutztierrassen wird die genetische Vielfalt verringert, Böden werden ausgelaugt und natürliche Lebensräume zerstört.
Eine abwechslungsreiche Ernährung, die auf eine Vielzahl von Pflanzenarten und Produkten aus nachhaltigem Anbau setzt, kann diesen Trend umkehren. In der Schweiz hat sich in den letzten Jahren ein stärkeres Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen Ernährung und Biodiversität entwickelt, und es gibt zahlreiche Initiativen, die auf eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion und -konsumation abzielen.
Die aktuelle Situation in der Schweiz
Die Schweiz ist ein Land, das reich an natürlichen Ressourcen und Biodiversität ist. Von den Alpen bis zu den Seen, von den Wäldern bis zu den landwirtschaftlich genutzten Flächen – die Schweiz bietet eine Vielfalt an Lebensräumen, die zahlreiche Tier- und Pflanzenarten beheimaten. Doch auch hier sind die Zeichen des Biodiversitätsverlustes deutlich zu erkennen. Laut dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) sind rund 35 % der bewerteten Arten in der Schweiz bedroht, und die landwirtschaftliche Intensivierung wird als einer der Hauptfaktoren für den Rückgang der Biodiversität genannt.
Monokulturen in der Landwirtschaft, etwa beim Anbau von Mais oder Weizen, dominieren grosse Teile der landwirtschaftlich genutzten Flächen in der Schweiz. Dies hat zur Folge, dass viele Pflanzen- und Insektenarten ihren Lebensraum verlieren. Monokulturen bieten wenig Nahrungsquellen für bestäubende Insekten wie Bienen, die für die Produktion vieler Obst- und Gemüsesorten unverzichtbar sind. Ein weiterer kritischer Punkt ist der Rückgang der Nutzpflanzenvielfalt. Viele traditionelle Gemüsesorten, die früher in der Schweiz weit verbreitet waren, werden heute kaum noch angebaut. Stattdessen konzentriert sich der Markt auf wenige standardisierte Sorten, die einfacher zu produzieren und zu vermarkten sind.
Abwechslungsreiche Ernährung als Schlüssel zur Biodiversität
Eine vielfältige und ausgewogene Ernährung, die auf eine breite Palette von Lebensmitteln setzt, kann einen positiven Einfluss auf die Biodiversität haben. Dies liegt daran, dass der Konsum einer Vielzahl von Pflanzenarten den Druck auf die Landwirtschaft verringert, nur wenige ertragreiche Monokulturen anzubauen. Durch die Nachfrage nach verschiedenen Gemüsesorten, Getreiden, Hülsenfrüchten und Obst können auch weniger verbreitete Pflanzenarten wieder vermehrt angebaut werden, was wiederum die Vielfalt in den Agrarökosystemen fördert.
Ein gutes Beispiel hierfür ist der Anbau von alten Getreidesorten wie Dinkel, Emmer oder Einkorn, die in der Schweiz traditionell angebaut wurden, aber aufgrund des Aufstiegs des Weizens zunehmend in Vergessenheit geraten sind. Diese alten Getreidesorten sind oft widerstandsfähiger gegen Schädlinge und Krankheiten, benötigen weniger Düngemittel und Pestizide und tragen zur Erhaltung der genetischen Vielfalt bei.
Auch die Förderung von biodynamischen und biologischen Anbaupraktiken trägt zur Erhaltung der Biodiversität bei. Die biologische Landwirtschaft verzichtet weitgehend auf den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln und setzt stattdessen auf natürliche Kreisläufe, Fruchtwechsel und Mischkulturen, die die Bodenfruchtbarkeit fördern und Lebensräume für eine Vielzahl von Insekten und Pflanzen bieten.
Mehr Informationen über die biologische Landwirtschaft in der Schweiz findest du hier.
Die Rolle von Agroforstwirtschaft und Permakultur
In der Schweiz werden zunehmend alternative Landwirtschaftsformen wie die Agroforstwirtschaft und die Permakultur praktiziert, die darauf abzielen, die Biodiversität zu fördern und gleichzeitig eine nachhaltige Lebensmittelproduktion zu gewährleisten. In der Agroforstwirtschaft werden Bäume und Sträucher auf landwirtschaftlichen Flächen integriert, wodurch eine vielfältige Landschaft entsteht, die Lebensräume für zahlreiche Tierarten bietet. Gleichzeitig tragen die Bäume dazu bei, den Boden zu stabilisieren, Wasser zu speichern und die Produktivität der landwirtschaftlichen Fläche zu erhöhen.
Permakultur setzt auf den Anbau vielfältiger Pflanzen in einem geschlossenen Kreislaufsystem, das sich an natürlichen Ökosystemen orientiert. Diese Form der Landwirtschaft fördert die biologische Vielfalt, da verschiedene Pflanzenarten in enger Nachbarschaft angebaut werden und sich gegenseitig unterstützen. Zudem bietet Permakultur Lebensräume für Insekten und andere Wildtiere, was die Artenvielfalt fördert.
Mehr über Agroforstwirtschaft und Permakultur findest du hier und hier.
Lokale Initiativen und nachhaltiger Konsum in der Schweiz
In der Schweiz gibt es zahlreiche Initiativen, die darauf abzielen, die Vielfalt in der Ernährung und in der Landwirtschaft zu fördern. Ein Beispiel ist die Bewegung Slow Food Schweiz, die sich für den Erhalt der kulinarischen und landwirtschaftlichen Traditionen des Landes einsetzt. Slow Food fördert den Anbau und Konsum von regionalen, saisonalen und nachhaltig produzierten Lebensmitteln, die zur Erhaltung der Biodiversität beitragen.
Auch in den Supermärkten wird der Trend zur nachhaltigen Ernährung zunehmend aufgegriffen. Migros und Coop bieten in ihren Biolinien eine grössere Auswahl an alten Obst- und Gemüsesorten sowie biologisch produzierten Lebensmitteln an, die aus nachhaltiger Landwirtschaft stammen. Dies fördert nicht nur die Biodiversität, sondern unterstützt auch kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe, die sich auf den Anbau von seltenen oder alten Sorten spezialisiert haben.
Ein weiteres wichtiges Thema im Zusammenhang mit nachhaltiger Ernährung ist die Reduktion von Lebensmittelverschwendung. In der Schweiz landen jährlich rund 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittel im Abfall. Lebensmittelverschwendung trägt nicht nur zu einer ineffizienten Nutzung von Ressourcen bei, sondern verschärft auch den Druck auf die Landwirtschaft, immer mehr zu produzieren, um die Nachfrage zu decken. Die Reduzierung von Lebensmittelabfällen ist daher ein zentraler Aspekt einer nachhaltigen Ernährung, der auch die Biodiversität fördert.
Mehr über Slow Food Schweiz und nachhaltigen Konsum findest du hier und hier.
Wie Konsumenten in der Schweiz Biodiversität fördern können
Jeder Einzelne kann durch seine täglichen Konsumentscheidungen einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität leisten. Hier sind einige einfache Schritte, die Konsumenten in der Schweiz ergreifen können:
- Saisonale und regionale Produkte kaufen: Der Kauf von saisonalen und regionalen Lebensmitteln fördert den Anbau einer grösseren Vielfalt von Pflanzenarten und reduziert den ökologischen Fussabdruck der Lebensmittelproduktion.
- Vielfalt auf dem Teller: Eine abwechslungsreiche Ernährung, die verschiedene Getreidesorten, Gemüse, Hülsenfrüchte und Obst umfasst, unterstützt die Biodiversität, indem sie die Nachfrage nach einer Vielzahl von Pflanzenarten schafft.
- Biologische und fair gehandelte Produkte wählen: Der Kauf von biologischen und fair gehandelten Lebensmitteln trägt zur Erhaltung der Artenvielfalt bei, da diese Produkte oft unter nachhaltigeren Anbaumethoden produziert werden.
- Lebensmittelverschwendung vermeiden: Bewusster Umgang mit Lebensmitteln und die Vermeidung von Abfällen helfen, den Druck auf die landwirtschaftliche Produktion zu verringern und Ressourcen effizienter zu nutzen.
- Traditionelle und seltene Obst- und Gemüsesorten unterstützen: Der Kauf von alten oder seltenen Sorten fördert die genetische Vielfalt und hilft, das kulinarische Erbe der Schweiz zu bewahren.
Fazit: Eine nachhaltige Ernährung schützt die Biodiversität
Die Verbindung zwischen Ernährung und Biodiversität ist in der Schweiz von grosser Bedeutung. Die Art
und Weise, wie Lebensmittel produziert und konsumiert werden, beeinflusst die Vielfalt der Pflanzen- und Tierarten, die in unseren Landschaften leben. Durch eine bewusste, abwechslungsreiche und nachhaltige Ernährung kann jeder Einzelne dazu beitragen, die Artenvielfalt zu schützen und den ökologischen Fussabdruck zu reduzieren.
In der Schweiz gibt es zahlreiche Initiativen und Ansätze, die zeigen, dass der Schutz der Biodiversität und eine nachhaltige Ernährung Hand in Hand gehen können. Von der Förderung alter Obst- und Gemüsesorten bis hin zu innovativen Landwirtschaftsformen wie der Agroforstwirtschaft – es gibt viele Wege, die Biodiversität zu fördern und gleichzeitig gesunde, schmackhafte Lebensmittel zu geniessen.
Die Zukunft der Biodiversität hängt auch von unserem Teller ab.